„Kirche von Unten“ kam hoch hinaus

■ Abschlußgottesdienst des Evangelischen Kirchentages der DDR im Köpenicker Sportstadion / Kirchenkritiker forderten Glasnost in Staat und Kirche

Von R. Hermanns/S. Sandrock

Berlin–Ost (taz) - Mit einem Abschlußgottesdienst im Fußballstadion in Berlin–Köpenick ist am Sonntag ein Kirchentag der evangelischen Christen der DDR zu Ende gegangen, auf dem erstmals die „Kirche von Unten“ ganz groß rauskam. Vor rund 20.000 TeilnehmerInnen sang Katja Ebstein westdeutsche Schlager zur Kollekte - Teilnehmer der kirchenkritischen Gegenveranstaltung „Kirche von Unten“ zogen derweil mit Transparenten durch die Zuschauer–Reihen und forderten einen „sozialen Friedensdienst“ und „Glasnost in Staat und Kirche“. Ein eigener Redebeitrag beim Abschlußgottesdienst war den Initiatoren zuvor von der Kirchenleitung untersagt worden. Am ungeliebten Alternativ– Ereignis konnte auch der Ost– Berliner Generalsuperintendent Krusche in seiner Abschlußrede nicht vorbei. Während des Kirchentages, so erklärte er, habe es „von unten und oben geknirscht“. Und unter Heiterkeitsbekundungen meinte er, daß dies „für Berlin nichts Ungewöhnliches“ sei. Auf dem offiziellen Kirchentag gelang es der evangelischen Kirche, sich als „Kirche im Sozialismus“ hoffähig zu machen. Freiräume hat man dabei allerdings weniger ausgeschöpft: Das gesamte Veranstaltungsprogramm wurde zuvor mit dem Staatssekretariat für Kirchenfragen abgesprochen. Dem staatlichen Druck gab die Kirchenleitung auch nach, als sie eine unbequeme Fotoausstellung mit Bildern zu Tabuthemen wie dem 17. Juni oder dem Mauerbau vorzeitig schließen ließ. Konsistorialpräsident Stolpe erklärte, damit sei die „Toleranzschwelle“ überschritten worden. Durch Kommentare in westlichen Medien sei fälschlicherweise der Eindruck entstanden, man plane eine Provokation. Über Toleranzprobleme brauchte sich hingegen die kirchenkritische Gegenveranstaltung „Kirche von Unten“ keine Sorgen zu machen. Wenn auch unter ständiger Beobachtung des VEB Guck und Horch (DDR–Bezeichnung für den Staatssicherheitsdienst) ging das größte Alternativ–Ereignis der DDR am Samstag morgen zu Ende. Tagesthema Seite 3 Seoul unter Tränengas