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TCDD als Krebsursache bestätigt

■ Gutachten berichtet von Kausalzusammenhang zwischen Dioxinexposition und Kehlkopfkrebs bei Chemiearbeitern / Erfolg für „Boehringer–Initiative“ und GAL Hamburg / GAL spricht von Präzedenzfall

Aus Hamburg Beate Holtz

Die „Boehringer–Initiative“ und die GAL Hamburg können einen Erfolg verbuchen: Ihre Behauptung, zwischen der Dioxinexposition im ehemaligen Chemiewerk der Firma Boehringer in Hamburg–Moorfleet und den Krebserkrankungen bei ehemaligen Boehringer–Arbeitern bestehe ein Zusammenhang, wurde nun durch ein wissenschaftliches Gutachten bestätigt. Um darauf aufmerksam zu machen, hatten im März dieses Jahres Arbeiter und GALier das Gebäude der Berufsgenossenschaft (BG) Chemie in Hamburg besetzt, die im Falle einer Berufskrankheit für die zu zahlende Entschädigung zuständig ist. Zwar hat die BG Chemie eine Untersuchung von Chemiearbeitern, darunter 130 ehemalige Boehringer–Arbeiter, in Auftrag gegeben, die Auswertung der Ergebnisse zieht sich jedoch hin. Ein Durchbruch auf diesem Gebiet ist daher das im Auftrag der BG Chemie erstellte Gutachten des Professors Hans Konietzko, das erstmals den Zusammenhang zwischen Dioxinbelastung und Krebs für „wahrscheinlich“ hält. Untersucht wurde der ehemalige Boehringer–Arbeiter Joachim Voß, der von 1976 bis 1982 in einem Bereich, in dem die höchste industrielle Belastung an Dioxinen und Furanen gemessen wurde, unter anderem das hochgiftige Tetrachlordibenzodioxin (TCDD), beschäftigt war. Seit Arbeitsantritt litt Voß unter einer Chlorakne, klinisches Symptom für eine Intoxikation. 1982 erkrankte er an Kehlkopfkrebs. Konietzko geht davon aus, daß die langfristige Dioxinbelastung die lebensgefährliche Krankheit verursacht hat: Dioxine und Furane seien anerkanntermaßen toxisch und stünden unter Nummer 1310 in der gesetzlichen Liste der Berufskrankheiten. Als Beleg für „schwere akute TCDD–Vergiftungen“ führt er das schnelle Auftreten der Chlorakne an, in solchen Fällen symptomatisch. Weitere Folgen seien Organ– und Nervenschäden, Störungen im Immunsystem und Fettstoffwechsel. Über Spätfolgen sei zwar wenig bekannt, bei Tierversuchen habe sich TCDD jedoch als „eindeutig kanzerogen“ gezeigt. Die letzte diesbezügliche Studie am Menschen sei die Publikation von Lehnert und Szadkowski, die die Mortalitätsdaten von 150 dioxinexponierten Arbeitern anläßlich eines Unfalls bei der BASF in Ludwigshafen analysiert. Aus dieser Analyse könne man schließen, daß das „dioxinexponierte Kollektiv ein etwa zweifach höheres Risiko trägt, an einem der berechneten Karzinome zu sterben, als die Durchschnittsbevölkerung“. Die Autoren lehnen diesen Zusammenhang jedoch ab, da er sich nicht statistisch absichern lasse. „Es wäre völlig unwissenschaftlich, daraus wie die Autoren den Schluß zu ziehen, daß TCDD als nicht humankanzerogen einzustufen ist“, so Kosnietzky dazu.

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