MBB - Konzern der Zukunft

Langsam senkt sich die Dunkelheit über die riesige Halle. Phosphorgrüne Laserstrahlen flammen auf, zerlegen die Dunkelheit und lenken den Blick auf eine riesige Multivisionswand, auf der dem Betrachter Bilder der fernen Galaxis dargeboten werden. Rauchschwaden nebeln die Stirnseite der Halle ein, und unter dramatisch intonierten Chorklängen rollt plötzlich, scheinbar auf den Wolken schwebend, der Prototyp des Airbus 320 in die Halle. Die gigantische Show vor erlauchtem Publikum, bei der Briten–Prinz Charles statt mit der Sektflasche zu werfen auf den roten Knopf drückte, sollte deutlich machen, daß die europäische Flugzeugindustrie aus den Kinderschuhen heraus ist. Man werde, so tönte Frankreichs Chirac auf selbiger Veranstaltung im Februar dieses Jahr in Toulouse, den Airbus von den Amerikanern nicht kaputt machen lassen. Bereits einen Monat später waren aus den vollmundigen Erklärungen ganz kleine Brötchen geworden. Anfang April sickerte aus München durch, für die Weiterent wicklung der beiden größeren Airbus–Versionen A–330 und A–340 entfalle allein auf den bundesdeutschen 40 Finanzierungslücke von 7 Milliarden Mark. Die deutsche Airbus– GmbH ist eine Tochtergesellschaft des größten deutschen Rüstungskonzerns Messerschmitt–Bölkow– Blohm (MBB), mit Dr. F.J.Strauß an der Spitze des Aufsichtsrates. Strauß war es denn auch, der die Airbus–Subventionierung in Bonn federführend betrieb. Kein leichtes Unterfangen angesichts bereits 3 Milliarden ausstehender Altlasten, die MBB dem Bund schuldet. Doch angefangen vom Arbeitsplatzargument bis hin zum technologischen Überleben Europas gegenüber den USA ließ die Flugzeugbauer–Lobby kein Argument unberücksichtigt, um Bonn unter Druck zu setzen. So konnte Strauß schließlich am 3 Juni triumphierend verkünden, mit den neuerlich durchgesetzten 5 Milliarden DM– Subventionen aus Bonn, die die Vergrößerung der Airbus–Familie sicherstelle, „geht Europa einen wichtigen Schritt in die Zukunft“. Hinter den Kulissen hatten Bangemann, Stoltenberg und Kohl aber klargemacht, daß eine längerfristige Absicherung des Airbus–Abenteuers auf breitere Schultern verteilt werden müsse. Die Privatindustrie wie beispielsweise Daimler–Benz, so die FDP, müsse sich perspektivisch stärker engagieren. Daimler vor allem, da der Konzern über Dornier und MTU ja bereits in den Flugzeugbau und Rüstungssektor voll eingestiegen war. Die Idee, MBB als Mutterkonzern der Airbus GmbH mit privatem Kapital besser zu unterfüttern, ist nicht neu. Bereits vor Jahren hatte Strauß erhebliche Energien aufgebracht, um BMW dazu zu überreden, bei MBB einzusteigen und dadurch in Bayern ein Gegengewicht zur Daimler–Benz– Gruppe zu schaffen. Zwar soll BMW–Chef Kuenheim interessiert gewesen sein, doch wenn schon, dann nur als Mehrheitsaktionär. Und da waren nun einmal die beiden SPD–Länder Hamburg und Bremen davor. Für den Steuerzahler ist MBB auch ohne das zur Zeit noch zivile Airbus–Programm (über eine militärische Version wird bereits nachgedacht) ein Faß ohne Boden. Denn MBB ist quasi der Generalübernehmer des bundesdeutschen Rüstungsetats. Da Konkurrenz auf dem Rüstungssektor bereits jetzt schon nicht mehr existiert, reicht MBB schlicht und einfach seine Kosten an Bonn weiter. Eine enge personelle Verzahnung zwischen Verteidigungsministerium und Rüstungsindustrie tut ein übriges, um schließlich auch die absurdesten Kosten einzutreiben. Denn was dem Airbus recht ist, ist den militärischen Versionen schon lange billig. Erinnert sei hier nur an den Tornado, bei dem sich der ursprünglich kalkulierte Preis von 10 Millionen pro Flieger letztlich auf das zehnfache einpendelte. Vor diesem Hintergrund ist MBB ein lukratives Geschäft, bei dem nie etwas schief gehen kann. Denn MBB ist nicht nur eine Firma der Zukunft, sondern beliefert auch einen permanent expandierenden Bedarf. Die Rüstungsproduktion in der Bundesrepublik steigt und steigt, die Gewinnmargen sind gar nicht abzusehen. Sollte Daimler–Benz tatsächlich die Mehrheitsanteile an MBB erwerben, wären die Konturen des europäischen militärisch–industriellen Komplexes perfekt. Jürgen Gottschlich