Verteidigungsministerium hat Frauen im Visier

■ Spätestens ab 1995 bricht die Personalplanung der Bundeswehr zusammen / Dann sollen Frauen die Lücken füllen / CDU–Frauenfraktion stimmt weitgehend zu

Von Ursel Sieber

Bonn (taz) - Der freiwillige Dienst von Frauen bei der Bundeswehr war schon halb beschlossen, als der Passus „Soldatinnen“ über Nacht wieder aus der Kabinettsvorlage gestrichen wurde. In jener legendären Kabinettssitzung am 17.10.84 beschloß Bundeskanzler Kohl, das heiße Eisen „Frauen zum Bund“ zunächst nicht anzufassen und das absehbare „Fehl an wehrdienstfähigen jungen Männern“ u.a. mit einer längeren Wehrpflicht auszugleichen. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Seit einigen Wochen wird im Verteidigungsministerium auf Geheiß des Ministers erneut untersucht, wo und unter welchen Bedingungen Frauen auf freiwilliger Basis in den Streitkräften eingesetzt werden könnten. Im September soll ein Zwischenbericht vorliegen. Die Staatssekretärin Agnes Hürland hat schon für 1990 ein „Pilotprojekt“ für Freiwillige angekündigt, das man allerdings besser Akzeptanzprojekt nennen sollte. Der Hintergrund ist einfach: Die Personalplanung für die Bundeswehr, die das Kabinett 1984 verabschiedete, wird spätestens 1995 in sich zusammenbrechen. Dann wird auch das nicht mehr ausreichen, was das Kabinett im Oktober 1984 beschloß, um die Präsenzstärke der Bundeswehr bei 500.000 Mann zu halten. Von dieser Truppenstärke wollen die Planer im Verteidigungsministerium keineswegs abrücken, obwohl sie keinerlei „Bündnisverpflichtungen“ davon abhalten würden: Als sich die Adenauer–Regierung in den fünfziger Jahren um die Wiederaufrüstung bemühte, gestanden die Alliierten die 500.000 Mann–Armee als Höchststärke zu. Das stellt die Bundesregierung bis heute auf den Kopf, indem diese Höchstgrenze als Mindestgröße interpretiert wird. Darum wurde im Oktober 1984 ein ganzes Paket an Maßnahmen beschlossen: die Wehrpflicht wurde auf 18 Monate verlängert, die Tauglichkeitskriterien herabgesetzt, Ehemänner wurden einberufen, für Zivil– und Katastrophenschutz gibt es weniger „Freistellungen“, und jährlich werden mehr Reservisten herangezogen. Im Bundeswehr plan 1985–1997 findet sich der aufschlußreiche Satz: „Die für die neunziger Jahre aufgezeigte Entwicklung des Friedensumfangs ist als nicht realisierbar zu beurteilen“. Doch selbst wenn die Pläne bis 1995 realisiert werden sollten, fehlen nach offiziellen Zahlen bereits im Jahre 1998 wieder 42.000 Soldaten. Ab 1995 also werden weibliche Freiwillige wieder interessant, und es heißt im Bundesverteidigungsministerium, die grundsätzliche Entscheidung müsse 1990 fallen, sollte sie 1995 verwirklicht werden. Fraglich ist aber, ob das „Fehl“ von 42.000 Soldaten allein mit Frauen ausgeglichen werden kann. Ein Rechtsgutachten aus dem Jahre 1983 kam nur auf die Zahl von 24.000 Dienstposten, die ohne Änderung des Grundgesetzes freigeschaufelt werden könnten. (Nach dem Grundgesetz ist Frauen der Dienst mit der Waffe verboten.) Unter „strukturellen Gesichtspunkten“ mußte diese Zahl sogar auf etwa 13.500 Stellen heruntergerechnet werden: So viele Soldatinnen glaubte man damals einsetzen zu können, und zwar im Stabsdienst, Personal– und Nachrichtenwesen sowie in der Logistik. Die Aufstiegschancen bewertete das Gutachten damals so: Weil die Frauen nicht in Kampfverbänden eingesetzt werden könnten, seien „die Laufbahnerwartungen sehr begrenzt“. Ob Wörner im September mit anderen Ergebnissen als die 1983 errechneten aufwartet, bleibt abzuwarten. Die SPD hat darum bereits den Verdacht formuliert, daß ab 1995 erneut die Wehrpflicht auf 21 Monate verlängert werden könnte. Laut Bundeswehrplan jedenfalls soll in der zweiten Hälfte des Jahres 1988 entschieden werden, ob wann welche zusätzlichen Maßnahmen zu ergreifen seien. Ein freiwilliger Militärdienst für Frauen könnte sehr wohl dazugehören. Bei der Gruppe „Frauen der CDU–Fraktion im Deutschen Bundestag“ kann Verteidigungsminister Wörner inzwischen genügend Anhängerinnen finden. In ihrem Informationsdienst plädieren die CDU–Fraktionsfrauen fast unisono für den freiwilligen Militärdienst, wenngleich das zumeist mit dem Zusatz verbunden wird, Frauen dürften „aber nicht allein in schlechter bezahlten und wenig qualifizierten Bereichen der Bundeswehr eingesetzt werden“ (Hannelore Rönsch). Nur Ursula Männle äußerte sich ablehnend: Wenn es der Bundeswehr ernst sei mit der Gleichberechtigung, könne sie die rund 53.000 Frauen „fördern“, die als Zivilangestellte in den „unteren Hierarchiestufen“ arbeiteten. Die FDP will ihre Haltung zum freiwillgen Soldatinnen– Dienst im September auf dem Parteitag klären. Die Fraktion tendiert eher zu einem Ja.