Jugoslawien ist pleite

■ Ein neues Konkursgesetz bedroht die Existenz von 1,6 Millionen Arbeitern und ein Viertel aller vergesellschafteten Betriebe

Belgrad (dpa/taz) - Aufgrund der Bitte der jugoslawischen Nationalbank um den Zahlungsaufschub einer Mitte Juli fälligen Tilgungsrate von 141 Millionen Dollar bei den westlichen Gläubigerbanken und dem am Mittwoch in Kraft getretenen Konkursgesetz ist in Jugoslawien mit einer neuen Streikwelle zu rechnen. Schon Ende Juni hatte Jugoslawien bei seinen Gläubigern in letzter Minute den Aufschub einer Tilgungsrate von 99 Millionen Dollar durchgesetzt. Jetzt will die Regierung mit radikalen Einsparungen ihre Zahlungsfähigkeit wieder herstellen. Das Konkursgesetz sieht vor, daß Betriebe, die Verluste machen und nicht innerhalb von drei Monaten saniert werden können, geschlossen werden müssen. Bei rigoroser Anwendung des Gesetzes müßte damit demnächst ein Viertel der vergesellschafteten Betriebe die Arbeit einstellen. 1,6 Millionen Menschen würden dadurch arbeitslos werden und die Zahl der Arbeitslosen in Jugoslawien mehr als verdoppeln. Sicher ist bislang schon die Schließung von 800 Betrieben und die Entlassung von 200.000 Arbeitern. Ob die Regierung mit ihrer chaotischen Politik die maroden Unternehmen wieder lebensfähig machen kann, ist fraglich. Die Regierung hat ein Jahr lang immer wieder Versuche unternommen, die Inflation von 100 Prozent durch die Kontrolle von 70 Prozent der Industriepreise zu zügeln. Wie es auf dem Preissektor weitergehen soll, ist völlig unklar: Zunächst wurde das Ende Juni auslaufende Preis–Kontroll– System bis Mitte September verlängert. Anfang Juli kündigte aber Marktminister Alexander Donev an, die Regierung wolle nun nur noch auf 16 Prozent aller Preise den Daumen halten. Der Export, der lebensnotwendige Devisen bringen sollte, hinkt hinter den Planungen her. Weil oft keine harte Währung zum Import von Rohstoffen und Ersatzteilen vorhanden ist, mußten viele Betriebe ihre Produktion drastisch zurücknehmen. Ein groteskes Beispiel für diesen Devisenmangel: Zwar gelang es nicht, 6,5 Millionen Dollar für Zulieferteile zur Produktion von 6.000 einheimischen Traktoren aufzutreiben. Gleichzeitig aber läuft der Import von 80 ausländischen Traktoren im Gesamtwert von 4,5 Millionen Dollar. Der Einführung marktwirtschaftlicher Elemente in die Wirtschaft werden durch den Lebensstandard der Bevölkerung enge Grenzen gesetzt: Die durchschnittlichen Einkommen haben inzwischen das Niveau der frühen 60er Jahre erreicht. Die Hälfte der Gehaltsempfänger kann damit nicht mehr den täglichen Lebensunterhalt decken. flo