I N T E R V I E W Bauern auf der Suche nach neuen Verbündeten

■ Gespräch mit Josef Jacoby, Landwirt in Ost–Westfalen und Vorsitzender der „AG Bäuerliche Landwirtschaft“

taz: Landwirtschaftsminister Kiechle ist vom Bauernverband ausgeladen worden. Sind Sie damit einverstanden? Jacoby: Hier zeigt sich, daß den Bauern endlich klar geworden ist, daß der Agrarminister in Brüssel nicht wie ein Löwe für sie kämpft. Die Kommissionsbeschlüsse werden die Bauern dreiteilen: An der Spitze gibt es die Wachstumsbetriebe, die mit Weltmarktpreisen noch ein ausreichendes Einkommen erzielen, ein Drittel soll - möglichst im Nebenerwerb - praktisch zu Landschaftspflegern werden, und das letzte Drittel wird zur Aufgabe gewzungen. Innerhalb der nächsten zehn Jahre würden so zwei Drittel der Bauern aus der landwirtschaftlichen Nahrungsmittelproduktion ausscheiden. Warum haben Heeremann und die Nordrhein–Westfalen für die Ausladung gestimmt? In Nordrhein–Westfalen gibt es die meisten durchrationalisierten Großbetriebe. Herrn von Heeremann droht der Bauernverband aus dem Ruder zu geraten. Er hat garantiert die ganze Nacht nicht geschlafen, weil er nicht wußte, für welche Seite er sich entscheiden soll. Er wird natürlich versuchen, seinen Präsidentensessel zu behalten und deshalb wird er eine kämpferische Rede halten. Aber es steht einfach an, daß die Verquickung von CDU und Bauernverband beendet wird. Ein Präsident des Deutschen Bauernverbandes darf nicht wie Heeremann gleichzeitig Bundestagsabgeordneter der CDU sein, bei Bayer im Aufsichtsrat sitzen und 30 weitere derartige Pöstchen haben. Warum traten die Bauern aus Bayern und Schleswig–Holstein so radikal auf? Bayern und Schleswig–Holstein sind normal sehr unterschiedlich. Herr Eigen, der Vorsitzende des schleswig–holsteinischen Bauernverbandes, ist vor allem unruhig, weil er befürchtet, daß seine großen Getreidebauern bei den anstehenden Wahlen der CDU nicht mehr die Stange halten. Gerade deshalb wird jetzt eine Politik betrieben, bei der die Landes–CDU der Bundes–CDU kräftig gegen das Schienbein tritt. Bei den Bayern geht es dagegen wirklich um die Existenz. 50 Prozent der Betriebe leben zur Zeit von der Substanz, die Einkommen liegen bei einem Drittel unter dem Sozialhilfesatz. In Bayern steht das Bauernsterben zuerst an. Das Interview führte Georgia Tornow