Divergierende Interessen bei grünen Müttern

■ Konstituierende Sitzung der grünen Arbeitsgruppe Mütterpolitik in Bonn: Schwerpunktkatalog für mehr Mütter– und Kinderfreundlichkeit / Christa Nickels will „Gesellschaft mit Kind an der Hand“ / Leidet die „erotische Spannung“ unter zuviel Gleichheit?

Von Maria Neef–Uthoff

Bonn (taz) - Wo eigentlich gibt es im öffentlichen Leben Mütter– oder Kinderfreundliches zu bemerken? Eines der Ergebnisse der ersten, konstituierenden Sitzung der Arbeitsgruppe Mütterpolitik in den Grünen, die sich am Wochenende in Bonn getroffen hatte, war der Entschluß, einen flächendeckenden Katalog für alle öffentlichen Einrichtungen über Mütter– und Kinderfreundlichkeit herzustellen. Ein goldenes Dreirad wird denjenigen zuerkannt, die die Kriterien der grünen Mütter erfüllen. 40 bis 60 Frauen, gestört von mindestens sieben unter Dreijährigen und unterstützt von ungefähr drei Männern, saßen bei dem schönen Wetter zusammen, um die Inhalte der Mütterpolitik für die nächste Zeit festzulegen. In jetzt gebildeten themenspezifischen Arbeitsgruppen sollen die wichtigsten Arbeitsschwerpunkte der nächsten Zeit in Hinblick auf Lösungen weiterverfolgt werden. Schwerpunkte sind die Veränderung der Arbeitswelt zugunsten der Mütter zusammen mit der sogenannten Mütterquotierung, die Ausdehnung der Infrastruktur wie der Ausbau der Mütterzentren und Mütterforen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Debatte um die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung. Die Diskussion am Samstag im Plenum zeigt deutlich, wieviel Verschiedenes an Interesse und Bedürfnis der hier zusammengekommenen Mütter einfach nebeneinander liegt. Immer wieder unterbrochen durch den Ideologiestreit, den Streit darum, ob sich Mütter überhaupt als Mütter zusammenfinden dürfen ohne unter den Verdacht des antifeministischen Konservatismus zu fallen, verfloß die Diskussion zu ganz verschiedenen Statements. Eine Menge Klagen über den mütterfeindlichen Alltag von „normalen“ Müttern, die sich informieren wollten, die wissen wollten, wie sie zu Hause ihre Müttergruppe am besten vorantreiben oder wie sie endlich zu einer Teilzeitarbeit kommen, standen neben Berichten aus Mütterzentren, die keine Gelder kriegen, oder provokativen Forderungen einiger Politikerinnen: So will die grüne Abgeordnete Christa Nickels endlich eine Gesellschaft mit dem „Kind an der Hand“ als der Möglichkeit, ein öffentiches Leben zu haben, wo Kinder erwünscht sind. Kinder sollen in Zukunft nicht wegorganisiert werden, sondern dabeisein können. In politischen Veranstaltungen könne man Kinderpausen mit einplanen. Man könne doch die Kinder mal in eine Abrüstungsdebatte mitnehmen und sie mitten im Raum krabbeln lassen, schlug eine andere Frau vor. Aber eine dritte war strikt dagegen, weil sie meinte: „Die schmeißen uns ja doch raus.“ So blieben auch in anderen Punkten die sich oft widersprechenden Meinungen nebeneinander stehen. Ein großer Teil der Mütter ist für die Beibehaltung der Forderung nach Aufhebung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung. Gisela Erler dagegen bestreitet diese Notwendigkeit. Sie fragt, wer denn überhaupt sage, daß feministisch sein heiße, identisch damit zu sein, dieses oberste Ziel zu haben. Wenn Frauen sich in jeder Hinsicht weigerten, ihre sozialen Rollen und Werte zu behalten, liefe das auf eine „Euthanasielösung für alte Menschen“ hinaus. Männer würden ihre Schwiegermütter im Alter bstimmt nicht pflegen. Wenn Frauen diese Pflegearbeiten nicht mehr leisteten, würden alte Menschen in noch stärkerem Maße in Institutionen abgeschoben. Gegen allzu große Gleichheit zwischen den Geschlechtern sprach sich auch Dorothea Calabrese von den Grünen aus. Sie meinte, die erotische Spannung leide erheblich darunter, wenn beide immer zu Hause sind und die Kinder betreuen. Wohler sei ihr, wenn sie weiß: „Der Laden läuft unter meiner Regie.“