: „Teamster“ - Gewerkschaft oder Mafia?
■ Das US–Justizministerium will die „Teamster“, die größte US–Gewerkschaft, wegen deren Beziehungen zur Unterwelt unter gerichtliche Zwangsverwaltung stellen / Innergewerkschaftliche Opposition unterstützt den Versuch der Reagan–Regierung, bei der „Teamster“ aufzuräumen
Aus Washington Stefan Schaaf
Mit 1,6 Millionen Mitgliedern ist sie die größte Gewerkschaft der Vereinigten Staaten. Mit ihrer Unterstützung für Ronald Reagan ist sie die einzige, die bei den letzten beiden Präsidentschaftswahlen dem Kandidaten der Demokratischen Partei den Rücken kehrte. Und mit ihrer Geschichte von Gerichtsverfahren und Verurteilungen ist sie der berüchtigtste und korrupteste Verein in der amerikanischen Gewerkschaftswelt. Die Rede ist von der „Internationalen Bruderschaft der „Teamster“, Chauffeure, Lagerhausarbeiter und Hilfskräfte Amerikas“, gewöhnlich kurz „Teamster“ genannt. Ein bunter Gemischtwarenladen von Berufen und Industriezweigen hat sich bei „Teamster“ zusammengefunden: Lastwagenfahrer, Gaststättenarbeiter, Schauerleute und Kühlhauspacker etwa, Arbeiter also, die vor allem mit dem Transport von Nahrungsmitteln und anderen Gütern befaßt sind. Über diesen traditionellen Bereich hinaus hat der starke Arm der „Teamster“ sich in jüngerer Zeit auch nach Regierungsangestellten, Polizisten und der Luftfahrtindustrie ausgestreckt. In den dreißiger Jahren, als Arbeitskämpfe und Rivalitäten mit anderen Gewerkschaftsorganisationen in der Regel gewalttätig ausgefochten wurden, war die „Teamster“ gefürchtet, denn ihre Schlägertrupps behielten gewöhnlich die Oberhand; in den achtziger Jahren hingegen kämpft diese Gewerkschaft vor allem gegen ihren schlechten Ruf und gegen Opposition von innen wie außen. Der jüngste Schlag erfolgte Anfang des Monats, als das Justizministerium durchsickern ließ, nun gehe es der „Teamster“–Führung an den Kragen. Grund für die Vorbereitung einer Anklage gegen die Gewerkschaftsspitze seien deren innige Beziehungen zur Unterwelt. Immerhin sind in den letzten fünf Jahren mehr als hundert örtliche „Teamster“–Funktionäre angeklagt oder verurteilt worden, und immerhin wurden die letzten beiden „Teamster“–Präsidenten zu Haftstrafen verurteilt. Gegen den jetzigen Boß der Gewerkschaft, den bulligen Jackie Presser, wurde ein erstes Verfahren eingestellt, wobei man munkelte, das FBI habe seine schützende Hand über Presser gehalten, nachdem dieser jahrelang der Bundespolizei als Informant gedient hatte. Im August soll Presser jedoch abermals auf die Anklagebank, weil er drei Freunden Gewerkschaftsgelder zugeschustert haben soll. Ziel der Bemühungen des Justizministeriums ist, die „Teamster“ einem von einem Gericht ernannten Zwangsverwalter zu unterstellen, und die Gewerkschaft dann von allen korrupten Elementen zu säubern. An der Gewerkschaftsbasis hat sich seit den späten siebziger Jahren eine radikale Oppositionsgruppe formiert, die mehr Demokrarie, ein Ende der Korruption und eine kompromißlosere Haltung beim Aushandelnvon Tarifverträgen forderte. Die „Teamster“ für eine demokratische Gewerkschaft“ (TDU) verlangten bereits im April ein Eingreifen des Justizministeriums und widersetzten sich so kei neswegs einhellig der Idee, daß ausgerechnet die gewerkschaftschaftsfeindliche Reagan–Administration bei den „Teamsters“ aufräumen will. Einige TDU– Führer haben allerdings eine andere Vorstellung des Wegs aus der fatalen Gewerkschaftsehe mit der Unterwelt - Ken Pfaff etwa, der vorschlägt: „Was die „Teamsters“ bewegen könnte, ist das Recht auf die Wahl ihrer Funktionäre, ein Recht, das ihnen bisher verwehrt geblieben ist. Die Verfassung der „Teamster“ ist die einzige Gewerkschaftsordnung in den USA, die weder direkte Abstimmungen der Mitglieder noch die Wahl der Delegierten zum Gewerkschaftskongreß vorsieht.“ Niemand, so Pfaff, würde jemand wie Presser wählen, einen Mann, der die Wünsche und Hoffnungen der Basis den Interessen des Organisierten Verbrechens unterorne. Wie konnte es so weit kommen? Was verbindet die Interessen einer Gewerkschaft mit denen der Unterwelt? Die „Teamster“ gerieten Beginn der dreißiger Jahre ins Visier des organisierten Gangstertums, als Präsident Roosevelt die Prohibition aufhob und so der Unterwelt ihr wichtigstes Betätigungsfeld raubte. Die Transportindustrie wurde zum neuen Ziel ihrer Aktivitäten. Sie bot den Unternehmern nicht nur Schutz und muskelstarke Streikbrecher– Trupps an, sondern unterwanderte auch die neuentstehenden Gewerkschaften. Am John F. Kennedy–Flughafen in New York, werden Waren im Wert von etwa 50 Milliarden Dollar umgeschlagen. Eine Luftfrachtfirma, die dort Lastwagenfahrer einstellt, wird bald mit dem „Teamster“–Local 295 konfrontiert werden. Falls es der Gewerkschaft gelingt, die Fahrer zu organisieren, sind mehr als doppelt so hohe Löhne fällig - es sei denn, man geht auf das wohlgemeinte „Angebot“ ein, eine bestimmte Summe zu zahlen und sich so von allen Problemen freizukaufen. Wer das Spiel nicht mitmacht, wird eingeschüchtert. 1985 wurde deswegen der Präsident von „Local 295“ vor Gericht gestellt. Ein weiterer Faktor macht die Gewerkschaften zu einem begehrten Objekt krimineller Begierde: ihre Pensionsfonds, wohl der dickste Batzen Geld, der in den USA für Investitionen auszuleihen ist. Der „Teamster“–Pensionsfonds für den Mittleren Westen etwa - 5,4 Milliarden Dollar fett - hat Spielkasinos in Las Vegas und Immobiliengeschäfte im ganzen Land finanziert. Immer wieder haben sich Staatsanwälte durch die Bücher des Fonds gegraben und unsaubere Geschäfte aufgedeckt, Fälle, in denen ungesicherte Kredite an kriminelle Unternehmungen gingen und nie zurückgezahlt wurden. Eine unselige Tradition, die seit den Tagen des legenären „Teamster“–Präsidenten Jimmy Hoffa anhält. Hoffa wurde verurteilt und 1985 ermordet, sein Nachfolger Roy Williams endete vor dem Richter und nun wird es auch Jackie Presser erwischen. Dabei haben die „Teamsters“ mit den sich rapide verändernden Bedingungen in der Transportindustrie genug Probleme am Hals. Seit die meisten regulierenden Bestimmungen 1980 von Reagan aufgehoben wurden, stehen die organisierten Lastwagenfahrer unter starkem Konkurrenzdruck.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen