Ausverkauf der Bildungspolitik in NRW

■ Rau–Regierung entscheidet heute über „Perspektiven der Hochschulentwicklung“ / Stellenstreichungen an nahezu allen Unis vorgesehen / Studienanfängerzahl geht bis zum Jahr 2000 um ein Drittel zurück

Von Walter Jakobs

Düsseldorf (taz) - Heute entscheidet die Düsseldorfer Landesregierung über die „Perspektiven der Hochschulentwicklung“ in Nordrhein–Westfalen. Der insgesamt 93 Seiten umfassende Plan birgt politischen Zündstoff. Vielen Hochschulen und Fachhochschulen geht es an den Kragen. Vor allem in der Lehrerausbildung ist eine massive Stellenreduzierung vorgesehen. Ausbildungskapazitäten sollen aber auch im vorklinischen Bereich der Allgemeinmediziner und bei den Zahnärzten wegfallen. Für Zahnmediziner will NRW künftig nur noch 406 statt bisher 476 Studienanfängerplätze zur Verfügung stellen. Für den vorklinischen Bereich sieht der der taz vorliegende Plan folgenden Kapazitätsabbau vor: Totalabbau in Essen, 260 in Düsseldorf, 113 in Köln, 130 in Münster, 40 in Aachen und 40 in Bonn. Erste Veröffentlichungen, beruhend auf einer neunseitigen Kabinettsvorlage, haben an den jeweiligen Standorten inzwischen zu vielfältigen Protesten geführt. Wissenschaftsministerin Anke Brunn geht davon aus, „daß wir im gesamten Hochschulbereich 1988 keine einzige Stelle abgeben müssen“. Es gehe zunächst, so Brunn zur taz, um die „Neuverteilung freier Stellen“. Neue Stellen, zum Beispiel werden für den Bereich Informatik 300 genannt, sollen laut Plan aus „den Fächern kommen, bei denen bereits jetzt ein Ausdünnen möglich ist“. Neben den Lehramtsstudiengängen trifft es vor allem die Sozialpädagogen, die Fächer Architektur und Bauingenieurwesen. Im Wissenschaftsministerium glaubt man, daß bis zum Jahr 2000 die Zahl der Studienanfänger um etwa ein Drittel auf ca. 34.500 zurückgehen wird. Zudem erwartet man eine andere Fächerverteilung. Ganz aufgelöst werden soll nach den Plänen der Wissenschaftsministerin die Fachhochschule Hagen. Das Personal soll zu den Fachhochschulen Dortmund und Bochum „verlagert“ werden. Änderungen sind auch für die Fachhochschulen Minden und Lippe vorgesehen. Zusammengelegt werden soll die Lehrerausbildung an den Universitäten in Bochum und Dortmund. In Aachen wird die Lehrerausbildung für Sekundarstufe II (allgemeines Schulwesen) eingestellt sowie in Bonn die Pädagogische Fakultät ganz aufgelöst und der Kölner Uni eingegliedert. Die Gesamthochschule Duisburg verliert den Ausbildungsgang Sekundarstufe I, und in Essen und Münster soll das Fach Kunst eingestellt werden. Demgegenüber soll die Musikhochschule Ruhr zu einer Hochschule für Kunst, Musik und Tanz ausgebaut werden. Auch in Köln wird eine neue Hochschule geschaffen. Arbeitstitel: „Hochschule für Film, Fernsehen und Video“. Wann die Stellenstreichungen wirksam werden, steht dahin. In dem Plan heißt es dazu: „Da auch bei sinkenden Studienanfängerzahlen für die nächsten Jahre die effektive Belastung der Hochschulen noch steigen wird, ist ein Wegfall von Stellen auch in vielen unterausgelasteten Fächern derzeit Wissenschaftsministerin gegenüber Finanzminister Dieter Posser, der den 5,7– Mrd.–Haushalt von Anke Brunn nicht von Kürzungen ausgenommen sehen will, Bestand haben wird, ist fraglich. GEW und ÖTV sehen in den Brunn–Plänen die „systematische Demontage der Hochschulen“ und die Jusos diagnostizierten den „Ausverkauf sozialdemokratischer Bildungspolitik“. Für Anke Brunn beruht diese Kritik auf der „Unkenntnis der Pläne“. Zur „Erneuerung der Hochschulen“ und zur „Zukunftsbewältigung“ gelte es, vom alten „Besitzstands– und Wachstumsdenken“ Abstand zu nehmen.