I N T E R V I E W „Roh Tae Woo bleibt ein Mörder“

■ Der Sprecher der südkoreanischen „Koalition für eine demokratische Verfassung“, Pater In Myong–Jin, über die Demokratisierungspläne in Seoul

taz: In den vergangenen Tagen sind mehrere hundert Gefangene von der Regierung freigelassen worden. Ist die Forderung der „Koalition“ nach einer Amnestie für politische Häftlinge damit erfüllt? Pater In: Oh nein. Nach unseren Informationen gibt es etwa 1.800 politische Häftlinge in Südkorea, davon sind bislang nur einige hundert entlassen worden und die Regierung hat ja auch gesagt, daß Gefangene mit sogenannter pro–kommunistischer Gesinnung weiter in Haft bleiben. Dieser Begriff ist sehr willkürlich und wir glauben daher, daß es einfach eine Selektion geben wird. Außerdem bezieht sich die Amnestie der Regierung nur auf diejenigen, die seit dem 10. Juni dieses Jahres verhaftet wurden, viele sitzen aber schon seit Jahren. Trauen Sie denn den anderen Versprechen der Regierung? Das läßt sich zur Zeit noch nicht abschließend sagen. Wir beobachten die Situation sehr genau und bislang sehen wir keine Anzeichen für eine Demokratisierung. Was die Versammlungsfreiheit anbetrifft: sie schießen schon wieder bzw. immer noch Reizgas in die Yonsei–Universität hinein. In den Zeitungen wird Roh Tae Woo aber als großer Held gefeiert. In den ausländischen, ja. Aber Woo ist und bleibt ein Mörder, seine Entscheidung kam unter dem Druck der USA zustande. Es handelt sich um einen strategischen Rückzug, nicht um einen echten Wandel. Was wird die „Koalition für die Demokratische Verfassung“ tun, um die Leute von dieser Sichtweise zu überzeugen? Nun, wir bilden uns nicht ein, daß wir die Illusionen, die viele Leute sich über die Demokratie machen, innerhalb von ein paar Tagen ausräumen können, vielleicht, wenn es Pressefreiheit gibt... (lacht) Wir warten, ob die Leute selber sauer werden über die falsche Propaganda. Zum Beispiel sind die Leute schon verärgert über die ganzen Lobreden von US–Repräsentanten über Roh Tae Woo. Gibt es schon konkrete Forderungen, sind Aktionen geplant? Was die Forderungen anbetrifft: wir proklamieren noch die allgemeinen Grundsätze (Demokratie, Wiedervereinigung, Unabhängigkeit), Details sind noch nicht ausgearbeitet. Die Aktionen werden ab Ende der Woche wieder aufgenommen. Für diese Woche haben wir alles abgeblasen wegen des Todes von Lee Han–Yol (Student, der von einer Tränengasgranate tödlich am Kopf getroffen wurde, d. Red.). Das ist unsere Art, unsere Trauer auszudrücken. Wer ist die führende Kraft in der „Koalition“? Das kann man so nicht sagen, weil wir ja Mitgliederorganisationen aus allen Bereichen der Gesellschaft haben: christliche Kirchen, buddhistischer Klerus, Studenten, Arbeiter, Frauen, Künstler, Journalisten, Rechtsanwälte usw. Wird die „Koalition“ sich parteipolitisch engagieren, wenn es Wahlen geben sollte? Nein, daran sind wir nicht interessiert. Die Frage ist noch nicht ausdiskutiert, aber wenn Sie mich fragen, so denke ich, wir sollten eher eine Rolle wie NAMFREL auf den Philippinen anstreben: für freie und faire Wahlen kämpfen. Interview: Nina Boschmann