Ollie North: Die Wahrheit in den Reißwolf

■ Oliver North, im November gefeuerter Oberstleutnant im Nationalen Sicherheitsrat der USA, legt vor dem Irangate–Untersuchungsausschuß seine Auffassung von Recht und Gesetz dar / Von Schuldbewußtsein ist North nicht geplagt

Aus Washington Stefan Schaaf

Natürlich kam Oliver North in seiner Marineuniform, mit allen militärischen Auszeichnungen, die er in Vietnam erworben hatte. Natürlich wurde er zu Beginn seiner Aussage von Pressefotografen umlagert, die ihn abermals ablichten wollten - ihn, den Tausendsassa aus dem Nationalen Sicherheitsrat, für den Reagans antikommunistische Doktrin alles, Gesetze und Kongreßbeschlüsse dagegen nichts waren. Nach Wochen juristischen Tauziehens war es am Dienstag soweit: Oliver North trat in den Zeugenstand des Irangate–Untersuchungsausschusses. Ist er ein politischer Belzebub oder ein Nationalheld? Was am Anfang, im November letzten Jahres, als eine Frage erschien, die nur in solchen Extremen beantwortet werden kann, ist durch zahlreiche Zeugenaussagen mittlerweile recht verwischt. Deutlich wurde schon in den letzten Wochen, daß North kein Einzeltäter war, sondern daß die halbe Reagan–Administration in den Skandal verwickelt ist; erwiesen ist inzwischen gleichfalls, daß North kein Engel in Uniform ist, sondern sein Patriotismus mit schäbigem Eigennutz durchwirkt war. Da sind die Winterreifen, die er mit Reiseschecks aus der Brieftasche des Contra–Führers Adolfo Calero kaufte, da ist das mehrere tausend Dollar teure Sicherheitssystem um sein Wohnhaus am Rande Washingtons, das er sich schenken ließ und für das er später getürkte Zahlungsbelege tippte. Doch nun war die Stunde der Wahrheit gekommen. Im Zeugenstand im Senatsgebäude, mit der Zusicherung, nichts von dem, was er dort sagen werde, könne von Sonderankläger Lawrence Walsh gegen ihn verwendet werden, gab es kein Zurück. Fragen an North gibt es mehr als genug - die wichtigste ist, von wem er die Anweisungen für sein Tun bekommen hat, vor allem für die Abzweigung von Profiten aus dem Waffenverkauf an den Iran, mit denen dann die Waffenarsenale der Contras aufgefüllt wurden. North wehrte sich gegen den Begriff „Abzweigung“, er sagte, er habe eigentlich lediglich Geld aus der Tasche des iranischen Waffendealers und Mittelsmannes Ghorbanifar einem guten Zweck zugeführt. Welches auch der korrekte Begriff ist, die Neugierde der Öffentlichkeit richtete sich seit Wochen auf die Frage, ob Ronald Reagan von diesem Vorgehen unterrichtet war. North erklärte, er habe die Abzweigung der Profite nie persönlich mit dem Präsidenten diskutiert, genausowenig habe Reagan es ihm gegenüber angesprochen. „Ich nahm jedoch an, daß der Präsident von meinem Tun wußte und daß er es durch meine Vorgesetzten genehmigt hatte.“ Auf weitere Fragen schob er noch nach, daß ihm niemand ausdrücklich gesagt habe, daß Reagan über die Abzweigung informiert gewesen sei. Sicherheitsberater Poindexter habe ihm im vergangenen November versichert, Reagan habe nicht Bescheid gewußt. North habe seine Anweisungen von Robert McFarlane und - nach dessen Rücktritt im Dezember 1985 - von John Poindexter erhalten. „Nie habe ich ohne Genehmigung meiner Vorgesetzten gehandelt“, sagte er. Im Vorfeld von Norths Aussage war die Vermutung aufgetaucht, daß das Original eines Memoran dums, in dem North ausdrücklich die Abzweigung der Gelder für die Contra erwähnt, Reagan vorgelegt worden sei, und daß dieses Dokument, mit Reagans Initialen versehen, im Laufe der Untersuchung auftauchen würde. North war im Glauben, daß er sämtliche Belege für sein Tun, alle Entwürfe und Originale, in den Reißwolf gesteckt habe. „Habe ich sie alle erwischt?“ fragte er am Dienstag mit schiefem Grinsen, denn es ist bekannt, daß eine Kopie dieses Memorandums den Skandal im vergangenen November ins Rollen brachte. „Ich habe bereits im vergangenen Oktober begon nen, alle Unterlagen über die gesamte Operation zu vernichten, denn ich erwartete, daß ich in der Folge meinen Abschied aus dem Nationalen Sicherheitsrat nehmen müßte.“ Der erste Tag von Norths Vernehmung hinterließ einen zwiespältigen Eindruck, denn die Befragung ergab nur wenige Puzzlestücke aus dem Bild, das bisher vom Treiben des Oberstleutnants besteht. Zu oft blieb North, der für sein schlechtes Gedächtnis ausnahmsweise froh sein kann, die Antworten schuldig. Die längste Zeit des Nachmittags wurde mit Fragen nach einer Lieferung von HAWK–Raketen im November 1985 verbracht. Diese Episode interessierte den Untersuchungsausschuß besonders, denn die Etikettierung der Raketen als „Ölbohrwerkzeuge“ verletzte gleich eine ganze Reihe von Gesetzen. Obendrein tischte CIA–Boss Casey noch ein Jahr später einem Kongreßausschuß diese Legende wider besseres Wissen auf. Später kreiste die Vernehmung noch eine ganze Zeit um Spenden für die Contra, die North von Drittländern und wohlhabenden Konservativen eingeholt hatte. Unhinterfragt blieben Norths Beteuerungen, er habe keine Gesetze verletzt, unangefochten auch seine Verteidigungspredigt für Geheimoperationen der Reagan–Administration. Am Ende blieb ein Oberstleutnant, der sich keines Vergehens bewußt ist und sich laut wundert, wie er in wenigen Monaten vom heimlichen Star des Sicherheitsrats zum obersten Tunichtgut der Nation wurde. Der Grund für diesen Sturz ist die tiefe Kluft zwischen den Ansichten des harten Kerns der Reagan–Mannschaft und denen des Kongresses sowie der Öffentlichkeit. Die Nachricht, daß der Präsident Besseres zu tun hatte als Norths Aussage, die von allen Fernsehstationen übertragen wurde, zuzuschauen, zeigt nur ein weiteresmal, daß diese Kluft unüberbrückbar ist.