: AIDS und die US–Polizei
Als sich Anfang Juni am Rande der internationalen AIDS–Konferenz in Washington 350 Demonstranten in der Nähe des Weißen Hauses versammelten, um gegen die unzureichende Finanzierung von AIDS–Forschung und AIDS–Aufklärung durch die Regierung zu protestieren, griff die Polizei ein und nahm 64 der Demonstrierenden fest. Ein gewöhnlicher Vorfall, jedoch in diesem Fall ungewöhnlich, weil die Ordnungshüter mit Plastikhandschuhen ausgerüstet waren, um sich gegen AIDS zu schützen. Die Empörung der Protestierenden richtete sich während des Rests der Veranstaltung mehr gegen die Polizei als gegen die Regierung Reagan. Es war das zweite Mal, daß die Homosexuellengemeinde Washingtons mit einer übertriebenen AIDS–Phobie der Polizei konfrontiert wurde. Bereits im Mai hatten sich Polizisten für eine Drogenrazzia auf eine private Homosexuellenbar mit Gummihandschuhen und sogar Mundschutz ausgerüstet. Diese Sicherheitsvorkehrungen waren nicht nur übertrieben, mußte der Vorsitzende der Polizeibehörde Washingtons später zugeben, sondern sie verstießen auch gegen die internen Richtlinien der Behörde für den Umgang mit AIDS. Der Gebrauch von Plastikhandschuhen ist nämlich lediglich bei Kontaktgefahr mit Blut oder anderen Körperflüssigkeiten vorgesehen, und Mundschutz gilt als überflüssig. Urvshi Waid von der Selbst hilfegruppe Gay and Lesbian Taskforce betont, daß der Umgang der Polizei mit AIDS bisher bis auf Ausnahmefälle annehmbar war. Richtlinien, die vom Justizministerium und von der National Sheriffs Association erlassen wurden, basieren auf der Tatsache, daß AIDS durch oberflächlichen Körperkontakt nicht übertragbar ist und heben die Bürgerrechte von AIDS–Infizierten und AIDS–Kranken hervor. Zwar sind diese Richtlinien nicht bindend, und jeder Staat hat seine eigenen Gesetze für den Umgang mit AIDS im Polizei– und Gefängniswesen, doch sind sie von vielen Bundesstaaten weitgehend übernommen worden. So werden zum Beispiel in nur einem Staat, Nevada, alle Häftlinge einem AIDS–Test unterzogen. Testergebnis vertraulich In anderen Staaten werden Häftlinge getestet, die einer der Risikogruppen angehören, wieder andere Staaten testen nur auf Wunsch des Häftlings oder aufgrund von medizinischen Symptomen. Die Testergebnisse kommen zu den medizinischen Akten, die als vertraulich gelten. „Vertraulich“ allerdings kann bedeuten, daß lediglich der behandelnde Arzt über das Ergebnis unterrichtet wird oder das gesamte Betreuungspersonal eines Gefängnisses. In den Staaten Kalifornien und Wisconsin erfährt nur die jeweilige Testperson das Resultat der Tests, die mittels Codesystem durchgeführt werden. Geheim bleiben auch die Resultate von AIDS–Antikörpertests, der sich die Bevölkerung unterzieht. So werden zum Beispiel in Charlottesville (Virginia), eine typische Kleinstadt an der Ostküste, die Testpersonen nur mittels eines Codesystems registriert. Auch bei einem positiven Testresultat blei Organisation für Blutspenden nicht zahlt, sei es unwahrscheinlich, daß Personen, die bereits als AIDS–Antikörper–positiv identifiziert wurden, Blut spenden. Trotz der vernünftigen offiziellen Richtlinien für den Umgang mit AIDS gibt es zahlreiche Vorfälle, die auf weitverbreiteter Angst vor der Krankheit basieren. In Florida weigerten sich jüngst Polizisten, am Unfallort zu helfen, weil eines der Opfer AIDS hatte. In New York prozessiert ein Häftling, weil sein HIV–positives Testresultat angeblich dazu führte, daß er nicht auf Bewährung entlassen wurde. Jedoch hält die Paranoia sich in Grenzen, und auf die Idee, alle Personen mit HIV– positivem Testresultat im großen Computer zu speichern, ist noch niemand gekommen. Silvia Sanides–Kilian
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