Bonn: Kontroversen um Duarte

■ Kriegsverletzte berichten von Folter in Krankenhäusern / Duarte verspricht, die vom Roten Kreuz benannten Fälle zu „untersuchen“ / Flüchtlingshilfe bestreitet „Demokratisierung“ / Todesschwadrone machen weiter

Von Charlotte Wiedemann

Bonn (taz) - Zum Abschluß des Besuchs von El Salvadors Präsident Duarte prallten gestern in Bonn Darstellung und Gegendarstellung der Zustände in seinem Land aufeinander. Frauen aus christlichen und Solidaritätsgruppen protestierten im Regierungsviertel mit einer Namensliste von 6.000 verschwundenen Salvadorianern und wurden sofort in Polizeigewahrsam genommen. Präsident Duarte, dem der Besuch in Bonn eine weitere Finanzhilfe von 54 Millionen Mark eingebracht hat, betonte vor der Presse seine Übereinstimmung mit der Bundesregierung. Er unterstütze den Arias–Plan und habe dazu nicht, wie vermutet, einen Alternativplan in der Schublade. Daß in El Salvador gefoltert wird, bestritt Duarte nicht direkt, sagte aber zu, jeden vom Roten Kreuz benannten Fall zu prüfen. Als Voraussetzung für den Dialog mit der Opposition wiederholte er die Forderung, die Guerilla müsse zunächst die Waffen niederlegen. Zwei schwer kriegsverletzte Guerilla–Kämpfer bezeugten dagegen im Gespräch mit der taz, daß das Rote Kreuz gegenüber Militär und Polizei in El Salvador völlig machtlos sei. Beide Männer wurden in einem zivilen Krankenhaus wochenlang verhört und gefoltert, obwohl sie unter der Obhut des Roten Kreuzes standen. Dem 33jäh rigen Gabriel Enriquez wurde, nachdem er bei einer Bombardierung ein Auge verloren hatte, von einem Militärarzt das zweite Auge herausoperiert, weil er sich weigerte, Informationen preiszugegeben. Der blinde FMNL–Angehörige konnte später mit kirchlicher und Rot–Kreuz–Hilfe ausreisen und war zum Beweis der Folter nach Bonn gekommen. Die von der Bundesregierung behauptete Demokratisierung und Humanisierung der Verhältnisse in El Salvador wurde von der Flüchtlingshilfe Mittelamerika sowie von Margot Woltering als Vertreterin der Katholischen Frauengemeinschaft ebenfalls vehement bestritten: „Während Duarte in Bonn ist, wird in El Salvador die Zivilbevölkerung bombadiert.“ Die Todesschwadrone agierten weiterhin. Margot Woltering, die das Land im Frühjahr besuchte: „Das Volk dort lebt in wahnsinniger Angst.“ Die Folter bediene sich jetzt mehr solcher Methoden, die äußerlich später nicht nachweisbar seien. Sie habe selber das spurlose Verschwinden einer vom Militär verschleppten Frau mitbekommen.