Schwarze Schafe kassierten wölfisch ab

■ Vorerst sind 13 Beamte aus Frankfurter Ämtern in einen Bestechungsskandal verwickelt / Oberbürgermeister Brück vermutet die Wurzel allen Übels im Feiern / Ein verkannter Erfinder sitzt in Haft

Aus Frankfurt Heide Platen

24.000 Menschen, sagte der Frankfurter Oberbürgermeister Wolfram Brück, arbeiten nach Kräften und auch pflichtbewußt für die Stadtverwaltung. Da könne „schon mal etwas“ vorkommen, ein „paar schwarze Schafe“ gebe es eben überall. Die schwarzen Schafe allerdings, die im Straßenbau– und Gartenbauamt über Jahre hinweg in die eigene Tasche wirtschafteten, wachsen sich mit mittlerweile 13 Köpfen zu einer kleinen Herde aus. In der vergangenen Woche ließ die Staatsanwaltschaft zu zehn vorausgegangenen Festnahmen und Verhaftungen noch einmal drei Abteilungsleiter des Straßenbauamtes wegen des Verdachts der Bestechung durch Baufirmen inhaftieren. Damit ist die Führungsetage der Behörde fast verwaist. Daß die Beamten nur eben bescheiden die Hand aufgehalten und abgewartet hätten, daß ihnen jemand etwas hineinlegt, glaubt im Frankfurter Rathaus mittlerweile niemand mehr. Nachdem einige geschröpfte Firmen ihr Schweigen gebrochen haben, weil die städtischen Bediensteten allzu kräftig abkassierten, ergibt sich ein anderes Bild. In Manier einer Gangster–Bande haben hohe Bedienstete Firmen, denen sie Aufträge zukommen ließen, vorher brutal unter Druck gesetzt und erpreßt. Dabei sprangen nicht nur regelmäßig fünfstellige Beträge heraus, sondern zum Beispiel Autos, Marke Mercedes, Teppiche und Ölgemälde. Zu Geburtstagen und zum Urlaub waren „Sonderzuwendungen“ fällig. Der Leiter des Baubezirks Mitte–Süd, der auftragsträchtigen Frankfurter Innenstadt also, trieb es laut Staatsanwaltschaft besonders toll. Er rechtfertigte sein Handeln damit, daß er ein verkannter Erfinder sei. 100.000 Mark habe er für die Patentierung eines Kunststoffkleisters gebraucht, mit dem er die Innenstadt bereits beglückt hatte. Der Plastikkitt aus einer Epoxydharzverbindung hält die wackeligen Natursteine in der Nobel–Einkaufsstraße Freßgass zusammen. Überhaupt war die Abteilung sehr erfindungsreich. Da wurden Aufträge vergeben, bei denen „überhöhte Aufmaße“ berechnet wurden. Die bearbeiteten Flächen waren also auf dem Papier der Rechnung größer als in Wirklichkeit. Da wurde, wie ein Firmenvertreter im hessischen Fernsehen auspackte, mit „Geisterarbeitern“ hantiert, die trotz Nichtexistenz bezahlt wurden und deren Lohn in die Taschen der Beamten wanderte. Eine undichte Stelle im mindestens seit Mitte der siebziger Jahre funktionierenden Bestechungssumpf lag beim Besitzer einer Gartenbaufirma. Er hatte den maroden Betrieb neu gekauft und in den Unterlagen seines Vorgängers entdeckt, welche außerplanmäßigen Zahlungen zum Ruin der Firma beigetragen hatten. Auch von einer Baufirma bekam die Kriminalpolizei einen Tip. Bei einem Treffen in einem Ginnheimer Restaurant war sie zugegen, als ein Firmenvertreter zwei Mitarbeitern des Hochbauamtes Um schläge mit je 7.500 Mark über den Tisch schob. Diese 15.000 Mark waren haargenau zehn Prozent der Bausumme eines Projektes, das an die Firma vergeben werden sollte. Die beiden technischen Angestellten verlegten sich nach ihrer Festnahme aufs Leugnen. Keine Ahnung hätten sie gehabt, was in den Briefumschlägen enthalten war. Daß die Angestellten überhaupt Aufträge über so hohe Summen vergeben konnten, lag an der internen Organisation. Sie umgingen die Vergabekommission des Magistrats und eigentlich mit zuständige andere Ämter, indem sie die Aufträge stückelten. Da sie bis zu 50.000 Mark eigenverantwortlich ausgeben durften, wurde eben ein größerer Auftrag zu drei kleinen. Laut Staatsanwaltschaft ließen sich die Beamten durchaus hierarchisch bestechen. Die geringeren Dienstgrade wurden mit immer mal wieder ein paar Hunderten befriedigt. Ähnliche Fälle waren in den vergangenen Jahren von der Stadt heruntergespielt worden. Diesmal entschloß sich jedoch Oberbürgermeister Brück nach anfänglichem Zögern zu ersten Handlungen. Die Auftragsvergabe soll nicht mehr in einer Hand liegen und besser kontrolliert werden. In einem Rundschreiben ließ er daran erinnern, daß die Annahme von Geschenken und Belohnungen verboten und nicht eben geeignet sei, das Bild vom unbestechlichen Beamten in der Öffentlichkeit zu befördern. Außerdem dürfen Außenstehende an internen Betriebsfeiern nicht mehr teilnehmen. Wenn Angestellte ihrerseits auf Feste, zum Beispiel Richtfeste, eingeladen werden, müssen sie dies beim zuständigen Dezernenten anmelden. Trockene Zeiten brechen an, denn diese Besuche sollen „nur noch in Ausnahmefällen“ genehmigt werden. Brück, dem nun Sorgen macht, was seine „paar Schafe“ im schwarzen Frankfurt schon unter seinem Vorgänger Walter Wallmann angerichtet haben, machte sich auch Gedanken, wie es denn so weit hatte kommen können. Möglicherweise habe das Unheil ganz klein angefangen, mit „Augenzwinkern“, „Kumpelhaftigkeit“ und „kleinen Geschenken“ bei Firmenfeiern. Dies sei dann, vermutet der Oberbürgermeister, so nach und nach zu einem „System des Gebens und Nehmens“ und einem regelrechten „Beziehungsgeflecht“ geworden. Die Brisanz von Betriebsfesten inner– und außerhalb der Amtsräume sei unterschätzt, die Gefahr nicht rechtzeitig erkannt worden. Damit also soll Schluß sein. Mittlerweile wird mit Spannung auf weitere Aussagen der vorerst 13 bestechlichen Beamten gewartet, von denen einige, vornehmlich die, die weniger Geld abbekamen, „gesungen“ haben. Sie fanden wohl, daß es sich für die Kleckerbeträge, die sie einstecken durften, nicht lohne, weiter im Gefängnis zu sitzen. Vielleicht läßt sich im Zuge der Ermittlungen auch klären, ob die Hersteller jener häßlichen, knochenförmigen Betonsteine, die mittlerweile halb Frankfurt zupflastern, zufällig verwandt, verschwägert oder großzügig mit Bestechungsgeldern waren. Gegen 15 Firmen wird ebenfalls ermittelt.