Kohls China–Reise soll Geschäfte ankurbeln

■ Hochrangige Wirtschaftsdelegation paßt auf, was der Kanzler im Reich der Mitte sagt

Von Georgia Tornow

Berlin (taz) - Eine Bildungsreise ist sie nicht, die einwöchige Tour, zu der Bundeskanzler Kohl am Samstag mit großer Begleitung in die Volksrepublik China startet. Zwar tut sich der Kanzler mit einem zweitägigen Ausflug „zum Lande der Tibetaner“ etwas Gutes, der Rest des vollgepackten Programms dient aber knallharten Geschäftsinteressen. Die Kanzlerreise soll dem im letzten Jahr etwas abgeschlafften China–Geschäft der deutschen Wirtschaft auf die Sprünge helfen. Schon im Vorfeld des Besuchs hat der Arbeitskreis China im Ost– Ausschuß der Deutschen Wirtschaft Zuversicht hinsichtlich eines solchen Effektes signalisiert. Es gibt aber auch in der Wirtschaft Leute, die Angst davor haben, was der Kanzler im Ausland sagt. Vom Verband der Textilindustrie ist bereits angemahnt worden, Kohl solle sich nicht zu übertriebenen Gastgeschenken hinreißen lassen, will heißen, den Chinesen nicht etwa höhere Exporte ihrer Textilindustrie in die Bundesrepublik zuzusagen. Damit die Interessen der deutschen Wirtschaft branchenübergreifend gewahrt werden, stehen jedoch auch während der Reise Aufpasser bereit. Der Kanzler wird von einer Mannschaft aus mehr als zwanzig Spitzenvertretern der Industrie– und Bankenwelt begleitet, zu der neben Industriepräsident Tyll Necker und Arbeitgeberpräsident Klaus Murmann diverse Mitglie der bundesrepublikanischer Vorstandsetagen von AEG bis Kaufhof, von der Commerzbank bis Krupp gehören. Den sozialpartnerschaftlichen Ausgleich der Runde verkörpern Vertreter der DAG und der Gewerkschaft Textil–Bekleidung im DGB. Die Volksrepublik China präsentiert sich den anlage– und verkaufsgierigen Unternehmen der Industrieländer immer noch als riesiger und weitgehend unerschlossener Markt. Seit Beginn der „Öffnungspolitik“ der chinesischen Regierung stieg ihr Engagement zwar sprunghaft an, wurde dann aber abgedämpft. 1985 waren die ausländischen Direktinvestitionen in der Volksrepublik auf 6,3 Milliarden Dollar geklettert, sanken aber 1986 auf 3,3 Milliarden Dollar ab. Während in Peking 1985 noch 1.900 Verträge über Gemeinschaftsunternehmen mit ausländischen Investoren, sogenannte Joint Ventures, abgeschlossen wurden, gab es ein Jahr später nur noch 1.454 Abkommen. Die Bundesrepublik nimmt im Außenhandel Chinas nach Japan, Hongkong und den USA mit einem Anteil von fünf Prozent den vierten Platz ein und hatte 1986 ein Volumen von 6,2 Milliarden DM. Bisher gibt es 17 Joint Ventures zwischen deutschen und chinesischen Firmen. Hierbei sind besonders mittelständische, technologieorientierte Unternehmen erfolgreich. Daneben gibt es Großprojekte wie die Errichtung eines VW–Werkes, KWU–Aktivitäten auf dem Energiesektor, aber auch das als besonders erfolgreich gefeierte Beispiel der Wella AG, die im Bereich Kosmetik und Körperpflege in China produziert. Fast alle Bundesländer haben mit chinesischen Provinzen Partnerschaften abgeschlossen. Baden– Württemberg ist mit einem deutsch–chinesischen Technologiepark wieder einmal Spitzenreiter. Aber auch Hamburg hat seinen Teil vom chinesischen Kuchen bekommen: Hier etablierte sich vor zwei Jahren ein chinesisches Handelszentrum, und seit Mai haben die Hanseaten diese bislang einzige Schlichtungsstelle für Vertragsstreitigkeiten zwischen chinesischen und ausländischen Partnern in ihren Mauern. Nachdem nun auch die Experten der Dresdner Bank für den Herbst ein Ende der Restriktionspolitik in China prognostizieren, dürfte den beiderseitigen Wirtschaftsbeziehungen tatsächlich ein neuer Schub bevorstehen. Ein für diese Blüte projektiertes Renommiervorhaben läßt noch etwas auf sich warten. Kanzler Kohl wird es nicht vergönnt sein, den ersten Spatenstich am Pekinger „German Chenter“, einem riesigen Bauvorhaben von Lufthansa, Keminski und anderen deutschen Firmen mit chinesischen Partnern, zu tun. Highlight des Besuchs wird statt dessen ein großer Empfang des Kanzlers auf dem vorsorglich in Shanghai ankernden Segelschulschiff „Deutschland“ der Bundesmarine. Da wird es rundum feucht zugehen.