Ein Opfer für die Sozialdemokratie

■ Nach der Veröffentlichung eines Artikels über einen Dialog zwischen der Sozialistischen Internationalen und den Sandinisten wurde der nicaraguanische Botschafter in Bonn, Heberto Incer, letzte Woche von seinem Posten in der Bundesrepublik zurückgerufen

Von Eva von Hase–Mihalik

Berlin (taz) - Mit der Abberufung des nicaraguanischen Botschafters Heberto Incer aus Bonn wurde zum ersten Mal seit der Revolution ein Botschafter von seinem Posten zurückbeordert. Incer wurde jetzt von seiner Regierung nicht etwa abberufen, weil er nicht „sandinistisch genug“, sondern weil er die Bezie hungen zwischen Sandinisten und der Sozialistischen Internationalen in eine kritische Situation gebracht hatte. Anstoß genommen hatten die Sozialdemokraten an einem Artikel Incers im Nicaragua–Aktuell–Bulletin der Botschaft über ein Treffen zwischen Vertretern der Sozialistischen Internationalen und Sandinisten, das im Februar in Madrid stattgefunden hatte. Die spanischsprachige Tageszeitung El Pais schrieb im April, daß das Treffen dazu diente, zu diskutieren, wie die SI „zu ihrer ursprünglichen Unterstützung der Sandinisten“ zurückkehren könnte. Dies schloß u.a. eine Auseinandersetzung darüber ein, unter welchen Voraussetzungen Pressezensur oder Ausnahmezustand eingeschränkt werden könne. Die Sandinisten sagten zu, so El Pais, diese Fragen zu überprüfen.Die Vertreter der SI, Hans–Jürgen Wischnewski und Wolfgang Weege, stellten ihrerseits in Aussicht, sich innerhalb der EG für neue Kredite für Nicaragua einzusetzen und in den USA für einen Stopp der Contra–Hilfe einzutreten. Über dieses Treffen, von dem aus SPD–Vorstandskreisen zu hören war, daß es vertraulich bleiben sollte, schrieb also Heberto Incer einen Artikel „Sozialdemokraten - hört zu“, in dem er zwar beschreibt, daß Kritik an der sandinistischen Revolution willkommen und notwendig sei, gleichzeitig aber auch, aus Unkenntnis der genauen Verhältnisse in Nicaragua, Positionen vorgetragen würden, die denen der US–Administration nicht unähnlich seien. In der Form eines fiktiven Interviews werden die Fragen der SI formuliert und die Antwort der Sandinisten darauf gegeben. Die Antworten, die Heberto Incer formuliert hat, unterscheiden sich nicht in dem, was andere sandinistische Politiker zu den angesprochenen Themen schon wiederholt gesagt haben. Doch offenbar verärgert über den Bruch der Vertraulichkeit, den Duktus und die herauszulesende „Botschaft“ des Artikels, das eben über bestimmte Fragen nicht mehr „nachzudenken“ sei weil die Fakten eindeutig seien, intervenierten Politiker der Sozialistischen Internationale in Managua. Mit Erfolg. Das sandinistische Nicaragua, im Krieg gegen die US–Söldnertruppen, will sich gemäß seines Selbstverständnisses als blockfreies Land nicht an das „sozialistische Lager“ anhängen. Damit ist die nicaraguanische Regierung auf ein gutes Verständnis mit der Sozialistischen Internationalen angewiesen. Mit der Ermordung des schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme, nach dessen Tod in Nicaragua ein Tag Staatstrauer verhängt wurde, verloren die Sandinisten einen wichtigen Unterstützer. Jetzt auch noch die Dialog–Bereitschaft eines SI–Mitglieds Wischnewski aufs Spiel zu setzen, wäre für die Sandinisten ein zu hoher Preis.