I N T E R V I E W Hessische Politik war schon immer komplizierter

■ Gisela Wülffing ist wegen der rot–grünen Koalition nach Wiesbaden gegangen und arbeitet jetzt weiter als Pressesprecherin von Otti Geschka (CDU)

taz: Heiner Geißler betonte dieser Tage, daß die CDU auch künftig ihre Wahlkämpfe mit der scharfen Trennung zwischen Konservativ–Liberalen und Rot–Grünen bestreiten und so um Mehrheiten kämpfen will. Bist Du seit den Landtagswahlen seine Bündnispartnerin? Gisela Wülffing: Mit diesem Lagerdenken befindet sich Herr Geißler im Widerspruch zur Logik der Frauenpolitik generell, aber insbesondere zu dem, was sich in den vergangenen Jahren in Hessen entwickelt hat. Die hessische Politik war schon immer etwas komplizierter, dafür aber auch spannender als anderswo. Aber die ideologische Differenz ist doch da, und es gibt auch Unterschiede in der Glaubwürdigkeit für eine Politik der Emanzipation der Frauen. Ist die CDU– Frauenpolitik nicht nur auf der Erscheinungsebene so akzeptabel, wie Du jetzt sagst? Letztlich ist es doch eine rückwärts gewandte Politik. Wenn es nicht schon Staatssekretärin Geschka gesagt hätte, würde ich es behaupten: Die CDU–Politiker, also die Männer, mit denen es die Frauenbevollmächtigte zu tun hat, werden nicht so dumm sein und heute versuchen, das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Die gesellschaftliche Wirklichkeit von Frauen verbietet es zu propagieren, daß die drei Ks (Kinder, Küche, Kirche) glücklich machen. Herr Blüm würde heute nicht mehr wagen, öffentlich vom ausschließlichen Glück des Mutter– Daseins zu schwärmen. So wie Du die derzeitige Situation und die künftigen Chancen der hessischen Frauenpolitik bechreibst, mußt Du ja nach wie vor recht zufrieden mit Deiner Arbeit sein?! (lacht) Schluck! Na ja, da muß ich allerdings etwas weiter ausholen. Rückblickend empfinde ich die Entscheidung, als Regierungspressesprecherin zu arbeiten, als größere Zäsur für mich als die jetzige Situation nach den Landtagswahlen. Meine persönliche Stimme trat zugunsten des großen Experiments zurück. Grüne und SPD– Frauenpolitik gleichzeitig zu vertreten war schließlich keine leichte Übung. Aber ich wollte es probieren. Da war der Reiz, eine Institution mitaufzubauen, die eine Mischung aus Ministerial–Behörde und Alternativbetrieb mit geringsten Mitteln darstellt und in dieser hochkarätigen Form erstmalig frauenpolitisch arbeitete. Meine Gründerinnen–Mentalität hatte wieder gesprochen (Giesela Wülffing gehörte auch zu den taz–GründerInnen). Gleichzeitig wollte ich als Journalistin mal wissen, ob sich frauenpolitische Themen mit einer professionellen Pressesprecherin nicht besser „verkaufen“, als ich es bis dahin „auf der anderen Seite“ erfahren hatte. Der Versuch war wohl kein erfolgloses Unterfangen, sonst wäre die Frauenbehörde nach dem 5. April nicht geblieben. An der Stelle möchte ich auch auf Marita Haibachs Pioniergeist hinweisen. Meine Illusionen über die Macht der Institutionen zugunsten der Frauen waren allerdings beträchtlich und die Anstrengungen danach entsprechend enorm. Aber ich wollte ja gesellschaftlich was erreichen und habe mir gesagt: Wer „A“ sagt muß auch „B“ sagen. Viel Geduld war also angesagt. Und wer hätte gedacht, daß ich in die Si tuation komme, jetzt sogar noch „C“ zu sagen?! Wir haben ja immer gesagt: Wir machen Politik für alle Frauen. Jetzt wird es also ernst mit der Behauptung. Wie trennst Du denn die CDU–Frauenpolitik von der übrigen CDU–Politik? Das geht doch nicht. Und wie kommst Du mit den CDU–Frauen aus? Ich glaube einfach nicht, daß die die gleiche Frauenpolitik wollen wie die SPD–Frauen und erst recht die Grünen–Frauen. Das ist für mich keine Frage des Glaubens, weil ich erfahren habe, daß diese Frauen für sich die gleichen Anstrengungen unternehmen und ihre persönlichen Kämpfe haben - weniger öffentlich wie die Frauen in den anderen Parteien. Sofern sie Interesse an dem Thema haben. Du solltest aber noch wissen, daß ich zwar die Funktion einer Pressesprecherin habe, aber nicht die übliche Position, die hierfür vorgesehen ist. Nämlich die einer politischen Beamtin. Man war bei den rot– grünen Koalitionsverhandlungen dafür zu geizig, weil Frauenpolitik ja keine „echte“ Politik ist. Ich wollte es trotzdem machen, bin also Angestellte, werde demnach nicht automatisch entlassen. Was nun das Interesse an meiner politischen Glaubwürdigkeit betrifft, welches mir jetzt auf Schritt und Tritt begegnet - da kann ich nur kontern mit den letzten eineinhalb Jahren. In der Zeit wurde meine politische Arbeit und meine Loyalität oft als naiv und unpolitisch belächelt. Die Glaubwürdigkeit stand nicht hoch im Kurs. Wie Du weißt, hatte Marita Haibach als Grünen– Staatssekretärin bei der Presse kein gutes Image. Sie war ihnen nicht fetzig genug. Mit ihr, die nicht als Star gefeiert wurde, der doch Licht abgeben sollte, war kein Staat zu machen, also machte man mit ihr auch keinen gemeinsamen Staat. Es wurde nicht der Versuch gemacht, mit der gegebenen Situation positiv umzugehen. Statt dessen kolportierte man: „Marita, die Tränenreiche“, und kehrte ihre Arbeit unter den Teppich. Der Druck auf uns Frauen in der Frauenbehörde war ungeheuer, und ich sah mich in meiner Arbeit durch die „Scene“ nicht gerade bestärkt. Heute, ohne gemeinsame politische Verantwortung, ist es wieder ganz einfach, nach meiner „Verantwortung als Linke“ und „Wie hälst Du das aus?“ zu fragen. Da reagiere ich erst mal mit Trotz und Unwillen. Kannst Du Dich mit Deinen Vorstellungen in der Frauenbehörde überhaupt einbringen? Das interessiert mich nach wie vor. Und was sagen die autonomen Frauen zu Dir? „Im Prinzip ja“ - zu meiner eigenen Überraschung. Das heißt aber nicht, daß ich jetzt diejenige bin, die hier mit erhobener Faust aufrecht steht und sagt: Frauen aus der autonomen Frauenbewegung, vertraut mir! Die notwendigen vielfältigen Gespräche müssen die Frauen mit der Staatssekretärin auch selber führen. Und das geschieht ja auch. Es gibt schließlich gewachsene Zusammenhänge, die sich weder per Dekret installieren lassen, noch mit einem Federstrich weggewischt werden können. Und wie sieht Deine Zukunft jetzt aus? Durch die gemeinsame Arbeit der letzten eineinhalb Jahre, mit der ich ein sehr großes Spektrum von Frauen erreicht habe, ist die Frage nach dem grundsätzlichen politischen Standpunkt erst mal beantwortet. Ich hatte mich dafür entschieden, die höchstpersönlichen Meinungen für eine Zeitlang nicht auf Regierungspapier täglich zu verlautbaren. Damit verbunden sind vielfältige Erfahrungen, die noch zu frisch sind, als daß ich Deine Frage abschließend beantworten kann. Welche neuen grandiosen Utopien sich aus all dem ergeben, wird sich weisen. Heute werbe ich nach wie vor zäh für die Frauenthemen. Man giert ja immer noch nicht danach, damit die Schlagzeilen zu füllen. Oder? Interview: Maria Neef–Uthoff