Grüne auf dem Marsch durch CDU–Institutionen

■ Nach dem Machtwechsel in Hessen arbeiten die meisten Grünen in den CDU–geführten Ministerien weiter

Wo sind sie geblieben? An die Vereidigung des ersten Grünen Ministers erinnert sich jeder. Aber wer denkt an die vielen anderen grünen MitarbeiterInnen, die mit ihm in die Ministerien eingezogen sind? Die politischen Beamten konnte die CDU nach der Machtübernahme aus dem Amt scheuchen, die Staatssekretärin für Frauenfragen, Marita Haibach, oder Staatssekretär Karl Kerschgens und Minister Fischer. Alle anderen haben Kündigungsschutz und da sitzen sie noch heute auf ihren Posten.

Daß der Leiter des vormals Fischerschen Ministerbüros, der Ministerialdirigent Tom Koenigs, auch nach dem Machtwechsel in Wiesbaden „de jure“ das Büro des hessischen Umwelt– und Reaktorministers Karlheinz Weimar (CDU) leitet, ist für das Vorstandsmitglied der hessischen Grünen, Wolfgang Bock, „kein Skandal“. Realpolitiker Bock, der als Richter selbst Staatsbeamter ist, vertritt nämlich die Auffassung, daß Grüne in einem Umweltministerium allemal „von Nutzen“ sein könnten, „auch und gerade wenn der Vorgesetzte ein Christdemokrat ist“. Ob der „Nutzen für die Umwelt“ gegen einen möglichen „Schaden an der Partei“ abgewogen werden muß, wie das vor allem fundamentalistisch orientierte Grüne glauben, ist innerhalb der hessischen Grünen umstritten. Tatsache ist, daß - bis auf Fischers Pressesprecher Georg Dick - all die Männer und Frauen, die als Grüne oder als parteilose von Joschka Fischer Ende 85 in das Ministerium geholt worden waren und keine politischen Beamten sind, dort weiter „ihre Pflicht erfüllen“ (Bock). Unmut über diesen Zustand macht sich vor allem bei der neuen Landtagsfraktion der Grünen breit, die eine Beeinträchtigung ihrer Oppositionsarbeit befürchtet. Denn wenn die Fachreferenten und -referentinnen, die bisher im Umweltministerium dem Grünen–Minister zuarbeiteten, jetzt den politischen Gegner Weimar unterstützten, werde die Angriffsfläche für die Opposition automatisch kleiner. Papiertiger Koenigs Doch Kritik wird bisher nur hinter vorgehaltener Hand geäußert. Noch haben alle Beteiligten die Absicht, die Auseinandersetzungen, die seit dem Machtwechsel zwischen Fraktion und grünen Magistralen im Umweltministerium und auch im Frauen–Staatssekretariat schwelen, unter der Decke zu halten. Für Landesgeschäftsführerin Karin Guder etwa, die von den „Realos“ um den neuen Fraktionsvorsitzenden Joschka Fischer eher dem fundamentalistischen Flügel der Partei zugerechnet wird, ist der Konflikt „kein Thema“. Auch wenn der Umstand, daß Grüne jetzt einem CDU–Minister „dienten“, sicher als „politisch delikat“ zu werten sei, wolle sie persönliche Entscheidungen jedes einzelnen respektieren. Der Fundamentalist Klaus Kallenbach aus dem Frankfurter Römer dagegen hat „große Bauchschmerzen“. Die „Etablierung“ bei den Grünen sei bereits so weit fortgeschritten, daß selbst das Zuarbeiten für einen CDU–Minister nicht mehr als unmoralisch empfunden werde, meinte er auf Nachfrage. Kallenbach hatte bereits im Hessen–Wahlkampf gegen den „Mißbrauch“ eines lebenden Löwen für Werbezwecke durch die hessischen Grünen protestiert. Doch „Zuarbeiten“ ist genau die Tätigkeit, die zum Beispiel Tom Koenigs nicht mehr ausüben darf. Der Leiter des Fischerschen Ministerbüros ist zwar auf dem Papier immer noch Leiter des Weimarschen Ministerbüros, doch die „Entscheidungswege“ führen seit dem 5.April an seinem Büro vorbei. Koenigs: „Ich habe jetzt viel Zeit zum Lesen von Fachliteratur.“ Sein neuer Chef hat dem Bankierssohn Koenigs bereits angekündigt, daß er ihn demnächst „versetzen“ werde. Wohin? Das wisse zur Zeit wohl noch kein Mensch, „nicht einmal der Minister selbst“ (Koenigs). Der Umstand, daß er kein „politischer Beamter“ sei, habe den Ausschlag dafür gegeben, daß er im Ministerium verbleibe, meinte Koenigs weiter, denn: „Es kann doch nicht unmoralischer sein, für das Land Hessen zu arbeiten als für einen kapitalistischen Konzern.“ Und Arbeit, die gut bezahlt werde, sei schlechtbezahlter Arbeit - etwa in der Karl–Marx–Buchhandlung oder bei der taz - immer vorzuziehen. Als Ministerialdirigent steckt Koenigs immerhin knapp 9.000 DM brutto monatlich in die Tasche. Anders als für Tom Koenigs, der politisch „entmachtet“ wurde, ist die Situation für Weimars neue Pressesprecherin Christiane Kohl, die bereits unter Fischer Pressereferentin des Ministers war. Kohl, die allerdings kein Parteimitglied bei den Grünen ist, will mit dem neuen Minister „zumindest bis zum ersten Loyalitätskonflikt“ zusammenarbeiten. Denn Weimar, so Kohl im Gespräch mit der taz, sei durchaus ein akzeptabler Minister, der ein „hohes Maß an Glaubwürdigkeit“ verkörpere. Daß das Klima unter Weimar „liberaler“ geworden sei, als es unter Fischer je gewesen sein soll, wissen auch andere Ex– Mitarbeiter/innen des ersten und bisher auch letzten Grünen–Ministers zu berichten. Fischer, so ein Mitarbeiter aus der ehemaligen „Gang“ des Ministers, der allerdings nicht genannt werden wollte, sei immer „wie der große Zampano“ aufgetreten und habe keinen Widerspruch geduldet: „Der hat aus nichtigstem Anlaß die Peitsche geschwungen und absoluten Gehorsam verlangt.“ Auch in den diversen Fachabteilungen des Umwelt– und Reaktorsicherheitsministeriums verrichten Grüne weiter ihre Arbeit, als Beamte des Landes Hessen. Für Landesvorständler Bock haben gerade diese Grünen die Chance, das „verknöcherte Berufsbeamtentum“ neu zu beleben. Der Loyalitätsbegriff könnte völlig revidiert werden, meinte Bock, wenn es gelänge, die „unselige Parteibuchwirtschaft“ der Vergangenheit in Hessen „beerdigen“ zu können. Bock: „Wir haben uns in der Vergangenheit doch immer dagegen gewandt, daß leitende Stellen nach dem Parteibuch besetzt werden. Wenn grüne neben den alten Beamten aus der sozialliberalen Ära arbeiten und jetzt auch noch schwarze Beamten dazukommen, wird das Wohl Hessens zwangsläufig als Hauptmotivation für Leistung durchschlagen.“ Wallmanns Taktik Daß das Einbinden des politischen Gegners in die Verwaltung - auch der Machtverwaltung - politische Gefahren birgt, ist gerade dem Ministerialdirigenten Tom Koenigs bewußt. Denn es war Walter Wallmann, der als Frankfurter Oberbürgermeister sozialdemokratische Dezernenten in der Stadtregierung beließ. Koenigs: „Die geschickte große Magistratskoalition mit den drei SPD–Dezernenten im Amt hat das Igel–Bild, das die SPD ohnehin bot, vollends besiegelt. Aus dem Gegenwind der Opposition wurde allenfalls ein warmes Lüftchen.“ Daß Wallmann jetzt als Ministerpräsident möglicherweise ähnlich vorzugehen gedenkt, gibt den Befürchtungen aus den Reihen der Landtagsfraktion der Grünen einen realen Hintergrund. Denn eins wollen Fischer und Co., die der CDU/FDP–Regierungskoalition nach dem Machtwechsel einen „heißen Tanz“ angekündigt hatten, sicher nicht: Daß dieser Tanz zu einem langsamen Walzer verkommt. Solange ein Grüner unter Wallmann und Weimar kein politisches Amt bekleide, so Koenigs, sei die „Gefahr der Integration“ gebannt. Da sollte die taz doch lieber mal bei der SPD vorbeischauen, denn der exponierte Frankfurter Sozialdemokrat Wenz sei schließlich noch immer in der Staatskanzlei tätig - jetzt für Wallmann statt für Börner. Im Grunde, so der neue Haushalts–Experte der Landtagsfraktion, Reinhold Weist, der gerne Pressesprecher geblieben wäre, aber dem Fischer–Intimus Georg Dick „weichen“ mußte, würden die Grünen in den Ministerien nur „mit kaltem Hintern überwintern“, bis Grün wieder wachsen würde, in Wiesbaden. Klaus–Peter Klingelschmitt