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SPD: Hanseatische Hektik nach der „Verarschung“

■ Hinter der Absage des möglichen Hafenstraßen–Käufers Reemtsma steckt Verzögerungstaktik der SPD / Reemtsma: „Verarschung“ / Jetzt sucht der Senat freie Sanierungsträger

Aus Hamburg Tom Janssen

Der Hamburger SPD–Minderheits–Senat versuchte am Donnerstag in stiller hanseatischer Hektik, eine Verhandlungslösung für die umstrittenen Häuser in der Hafenstraße zu finden, nachdem die Sozialdemokraten von Dohnanyis sich zuvor selber in eine Sackgasse manövriert hatten. Die zögernde und widersprüchliche Verhandlungsführung der SPD hatte am Vortag dazu geführt, daß der Hamburger Millionenerbe und Links–Mäzen Jan Philipp Reemtsma mitgeteilt hatte, er stünde für einen Kauf der Häuser nicht mehr zur Verfügung. Das sechswöchige Hick–Hack sei zur „Verarschung“ geworden, so Reemtsma. Die SPD wolle ihn zum Wachhund für das Wohlverhalten der Bewohner machen. Nach der Reemtsma–Absage war das Desaster perfekt. Während der Bürgermeister in Depressionen versank, handelte Senatssprecher Thomas Mirow: In der Mittwochabendsendung des NDR–Hamburg–Journals verkündete er, daß der Senat von seinem Versprechen, für alle Häuser eine Verhandlungslösung zu finden, nicht abrücke. Ferner legte sich Mirow fest, der Senat wolle in der zu erwartenden neuen Verhandlungsrunde nicht räumen lassen. Den sozialdemokratischen Strategen war nach der Reemtsma–Absage offenbar schlagartig klargeworden, daß hier ihr Reformruf auf dem Spiel steht. Kurz zuvor hatten sie in den Koalitionsverhandlungen mit der FDP gerade den auch nur symbolischen Ausstieg aus der Atomenergie verschoben. Trotz jener fünf Prozent Wechselwähler zwischen grün und rot, die der SPD in Hamburg das Überleben ermöglichten. „Nun auch noch das Symbol Hafenstraße räumen, und wir haben unseren Kredit endgültig verspielt“, lautete das Resümee. Fortsetzung auf Seite 2 Noch in der Nacht auf Donnerstag machte sich Sozialsenator Jan Ehlers, Hauptmotor für eine Verhandlungslösung, zu einem alternativen Sanierungsträger auf den Weg, um Lösungen zu entwickeln. Sein Vorschlag: Nach der Reemtsma–Absage sollten Stattbau und Lavez–Stiftung, die beiden bekanntesten freien Hamburger Sanierungsträger, die Häuser übernehmen. Doch Stattbau zeigte sich skeptisch: Das würden die Bewohner nie akzeptieren, da gerade die Lavez–Stiftung im Geruch der Senatshörigkeit stünde. Im Gegenzug lehnte Ehlers einen Vorschlag des Unterstützerkomitees für die Hafenstraße ab. Das Komitee wollte sel ber eine GmbH bilden, um die Häuser zu übernehmen. Das Komitee legte gestern daraufhin einen neuen Vorschlag vor. In der zu gründenden GmbH würde auch Jan Philipp Reemtsma als Mitglied des Komitees sitzen, außerdem könnte Stattbau als alternativer Sanierungsträger akzeptiert werden. Im Senat wiederum favorisierte man bei Redaktionsschluß folgende Lösung: Jan Philipp Reemtsma wird juristische Person in der neuen GmbH–Stiftung, ebenso das Komitee und Stattbau. Die unmittelbar Betroffenen, die Bewohner der Hafenstraße, nahmen bisher noch keine Stellung. Sie wollen heute auf einem großen Plenum ihr weiteres Vorgehen beraten.

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