VS–Vorstand bricht auseinander

■ Der Vorsitzende und vier Vorstandsmitglieder des Deutschen Schriftstellerverbandes überraschend zurückgetreten / Unterschiedliche Interpretationen der Hintergründe des Rücktritts

Von Martin Kempe

Berlin (taz) - Der Vorsitzende des Verbandes deutscher Schriftsteller, Hans Peter Bleuel, und vier weitere Mitglieder des VS– Bundesvorstandes haben am Donnerstag abend ihren Rücktritt erklärt. Damit treiben die seit Jahren andauernden inneren Auseinandersetzungen im Schriftstellerverband einem neuen Höhepunkt zu. Der Rücktritt der Fünf soll zum 25.September wirksam werden, dem Termin der turnusmäßig stattfindenden VS–Bundesdelegiertenkonferenz in Hamburg. Zu Beginn der für Donnerstag angesetzten Bundesvorstandssitzung des zur IG Druck und Papier gehörenden Schriftstellerverbandes hatten Bleuel und seine Vorstandskollegen Max von der Grün, Jochen Kelter sowie die Beisitzer Lenelotte von Bothmer und Wolf Peter Schnez in einer ultimativen Erklärung den Rücktritt der beiden Vorstandsmitglieder Angela Hoffmann und Gerhard Beier gefordert. Begründet wurde diese Forderung mit den jahrelangen Auseinandersetzungen im VS–Vorstand, mit einem „als Basisdemokratie mißverstandenen persönlichen Aktionismus“, mit angeblichem „Unterlaufen von Vorstandsbeschlüssen“. Ein konkreter aktueller Anlaß für die Rücktrittsforderung wurde nicht genannt. Als die beiden Angegriffenen den Rücktritt verweigerten, erklärten Bleuel und seine Mitstreiter ihrerseits in einer vorbereiteten Erklärung ihren Rücktritt. Damit müssen auf der VS–Bundesdelegiertenkonferenz im September Neuwahlen stattfinden, die eigentlich erst beim nächsten Schriftstellerkongreß im März 1989 fällig gewesen wären. Die beiden angegriffenen Vorstandsmitglieder Angela Hoffmann und Gerhard Beier äußerten sich betroffen über den Rücktritt. Hoff mann meinte, sie sei nicht zurückgetreten, weil ihr die Arbeit im VS wichtig sei. Es sei bedauerlich, daß mit der spektakulären Rücktrittsaktion der Vorstandsmehrheit die „Linie von Berlin“ fortgesetzt werde. Bei dem letzten Schriftstellerkongreß im März 1986 in Berlin hatte sich die Gruppe um den Noch–Vorsitzenden Bleuel per Kampfabstimmung gegen die Berliner Lyrikerin Anna Jonas durchgesetzt, die wie eine starke Minderheit unter den VS–Delegierten die fehlende literarische und kulturpolitische Ausstrahlung des VS sowie die unkritische Anlehnung an die Gewerkschaftsbürokratie kritisiert hatte. Während Bleuel und seine Unterstützer in der Öffentlichkeit für sich stets die grundsatztreue „gewerkschaftliche Ordnung“ reklamiert haben und ihre innerverbandlichen Kritiker mit dem Odium der Gewerkschaftsfeindlichkeit zu belegen versuchen, verliefen die Auseinandersetzungen in der praktischen Vorstandsarbeit nach Informationen der taz ganz anders. So haben Hoffmann und Beier immer wieder darauf gedrungen, sich mehr als bisher den für Schriftsteller wichtigen Problemen der Tarif– und Sozialpolitik sowie der Literaturförderung und Kulturpolitik zuzuwenden. Bleuel und die Vorstandsmehrheit dagegen setzten eher auf die Organisation repräsentativer Großveranstaltungen, wie der für Herbst 1988 geplanten „Interlit“ in Nürnberg, die ihnen - so wird kolporiert - kurz vor dem Schriftstellerkongreß 1988 willkommene Gelegenheit zu öffentlicher Repräsentation verschafft hätte.