D O K U M E N T A T I O N „Mein Leben ist in Gefahr“

■ In einem Brief schildert der Libanese Ali Kemal Ajoub die Umstände seiner Abschiebehaft in Berlin und Frankfurt / Mit Schlägen und Fußtritten mißhandelt

Lieber Bernd! (...) Ich möchte Dir von meiner Reise von Berlin nach Frankfurt erzählen. Als ich in Frankfurt angekommen bin, wurde ich von zwei Beamten auf dem Flughafen in einen Raum eingesperrt und sollte dort auf den Abflug nach Beirut warten. Ich habe den Beamten gleich gesagt, daß ich jemanden vom Sozialdienst sprechen möchte. Nach einer halben Stunde kam dann eine Frau, die mich fragte, was ich möchte. Ich sagte ihr, daß ich Libanese bin und abgeschoben werden soll. Ich sagte ihr, daß ich nicht in den Libanon will, weil dort mein Leben in Gefahr ist. Sie hat mich gefragt, ob ich einen Anwalt sprechen möchte. 15 Minuten später kamen Frankfurter Polizeibeamte und sagten, ich soll bitte mitkommen. (...) Auf der Treppe zum Flugzeug habe ich gesagt, ich will nicht rein. Die Beamten haben versucht, mich mit Gewalt reinzudrücken. Ich sagte: „Wenn Sie weitermachen, werde ich mich mit einer Rasierklinge aufschneiden.“ Sie drückten weiter. Ich wollte mir den Bauch aufschneiden. Als sie das sahen, haben sie mich mit Füßen getreten, so daß ich jetzt mehrere Schnittwunden habe. Ich habe das auch gemacht, damit sie aufhören, mich zu schlagen. Im Krankenhaus wurde ich dann mit 36 Stichen genäht. (...) Ich war sehr traurig, daß ich nicht auf Deinen letzten Brief antworten konnte. Briefmarken, Schreibpapier und Kugelschreiber, alles ist hier (in der Frankfurter Abschiebehaft, d. Red.) verboten. Ich habe nicht mal das Recht, meinen Anwalt in Berlin anzurufen. Ich hatte hier oft Probleme mit den Beamten, wenn ich Dich oder einen anderen Menschen in Berlin sprechen wollte. Es ist hier nicht wie in der Kruppstraße (Berliner Abschiebeknast, d. Red.), ich bin hier in einer Einzelzelle. (...) Nach meiner Abreise nach Frankfurt habe ich fünf Briefe von Dir erhalten, so daß ich immer wußte, was in Berlin geschieht. Ich weiß, daß Du etwas fast Unmögliches für mich versucht hast. Und das vergesse ich Dir nie im Leben. (...) Ich weiß nicht, was geschieht, wenn das Gericht auch hier ablehnt. (...) Ich hoffe, Gott will, daß ich noch lange lebe. (Auszüge aus einem Brief von Ali Kemal Ajoub an Bernd Potrick. Potrick verbüßt in Berlin–Tegel eine längere Haftstrafe und teilte sich mit Ajoub eine Gefängniszelle. Von dort aus hat er mit Briefen und Unterschriftensammlungen zwei Jahre lang versucht, die Abschiebung des Libanesen zu verhindern.)