Geregnet hat es nicht in Kurdistan

■ Zurück vom NATO–Manöver „Aurora Express“: Den Oldenburger Bomberpiloten haben besonders die kurdischen Berge imponiert / Von Bürgerkrieg „wenig mitbekommen“ / Aber heiß war es, und dann der Durchfall ...

Aus Oldenburg Chr. Malzahn

An der Decke hängt die Miniaturausgabe eines knallroten Dreideckers, wie Freiherr von Richthofen ihn einst geflogen hat. Daneben hockt Snoopy im Fliegerdress auf seiner zum Jagdflugzeug umfunktionierten Hundehütte, die Zähne gefletscht und ein Ziel im Visier. Vier Schleudersitze sind um einen Tisch gruppiert, ein langes Flugzeugmaschinengewehr ist blankgeputzt auf einem Tresen befestigt. Zwei Stierhörner ragen aus einem Pilotenhelm an der Wand. Major Uwe Harms zeigt auf eine türkische Nationalflagge hinter der Theke: „Die haben wir da unten geschenkt bekommen!“, erzählt er nicht ohne Stolz. Wir sind im Gemeinschaftsraum des Jagdbombergeschwaders 43 der Bundeswehr in Oldenburg. Major Harms ist mit rund 200 Soldaten und Beschäftigten der zweiten Staffel seiner Einheit in die zweitgrößte Garnisonsstadt der Bundesrepublik zurückgekehrt. In der „Osttürkei“ probte er mit weiteren 5.000 NATO–Soldaten aus Belgien, Italien und der Türkei den „Krisenfall“. 1983 war er schon mal da, ebenfalls mit einem „Alpha Jet“, um, wie sein „Kommodore“ Hans Jürgen Merkle es ausdrückt, „Geschlossenheit und Solidarität der NATO– Länder zu demonstrieren“. Die „Allied Mobile Force“, im Soldaten–Jargon „NATO–Feuerwehr“ genannt, veranstaltet in jedem Jahr ein solches Manöver. Sie finden entweder im skandinavischen oder im südosteuropäischen Raum statt, weil die „Flanken unsere schwachen Stellen sind“, erklärt Hans Jürgen Merkle. Harms breitet mehrere Flug– und Landkarten auf einem Tisch aus. „Hier war unser Einsatzge biet. Also die Osttürkei.“ „Kurdistan?!“ „Wenn Sie so wollen!“ Die zweite Staffel des „Jabo 43“ war mit insgesamt 18 „leichten Jagdbombern“ des Typs „Alpha Jet“ in Diyabakir, einer kurdischen Großstadt, stationiert. Der dortige Militärflughafen dient der türkischen Armee als Ausgangsbasis für militärische Aktionen gegen den kurdischen Widerstand. Die multinationalen Verbände der Allied Mobile Force sind an diesem Bürgerkrieg zwar nicht direkt beteiligt. Durch die militärische Präsenz von über 5.000 NATO–Soldaten und mehreren Jagdbomber–Staffeln leisten „NATO und Bundeswehr dem türkischen Verbündeten in diesem Krieg Schützenhilfe“, kritisiert das Hannoveraner „Informationsbüro Türkei“ das Manöver. Zur selben Zeit, als dieses Manöver „Aurora Express“ ablief, kam es tatsächlich in der Gegend um Diyabakir zu Auseinandersetzungen und Gefechten zwischen militanten Kurden und der türkischen Armee. „Davon haben wir nichts mitbekommen“, meint Uwe Harms. Von dem Überfall der PKK auf ein kurdisches Dorf hätte man gehört, auch davon, daß die „Terroristen dann verfolgt wurden“. Sonst nichts. Dreimal täglich sei man aufgestiegen. Morgens, mittags, abends. Und die Gegend: Für einen Piloten sehr interessant wegen der unterschiedlichsten Landschaftsformen dort. Sogar 10.000 Fuß hohe Berge, die es in Norddeutschland natürlich nicht gibt. Und der Hinflug, der war anstrengend. Über Österreich und die Schweiz dürfen die Jabos nicht, deswegen die Route Frankreich– Italien–Türkei. Das hat gedauert. Geregnet hat es nicht in Kurdistan. Aber zu Hause. Bei 4O Grad im Schatten wurde geflogen, und die Luft auf dem Boden: Trocken, stickig, eben ein ganz anderes Klima. Die 200 Oldenburger wohnten in einer Zeltstadt, verpflegt hat man sich selbst. Wegen der Bakterien. Trotzdem hat es viele erwischt: Durchfall. Donnerbalken statt Schleudersitz. Da sind schon ein paar Kollegen ausgefallen. Zwei Stehtage gab es in den zweieinhalb Wochen des Manövers, da brauchte man nicht zu fliegen. Die Stadt, „Shopping“, gar nicht zu vergleichen. Das war schon interessant auf dem Basar. Ja, Militär war da oft. Eben wegen Terrorismus. Etwa 1.000 der insgesamt 5.000 an der Übung beteiligten Soldaten kamen aus der Bundesrepublik. Die Bundeswehr stellte damit das größte Länderkontingent beim „Aurora Express“. Persönliche Kontakte knüpfen, das war natürlich nicht einfach. Das Englisch der türkischen Kollegen ist nicht so gut, reines Fliegerenglisch meistens. Trotzdem, mit dem türkischen „Counterpart“, dem Einsatzleiter, gab es schon Unterhaltungen. Die Frau von Uwe Harms will jetzt die Frau des „Counterparts“ anschreiben. Die hat in der Bundesrepublik als Lehrerin gearbeitet und spricht Deutsch. So gesehen „war das Völkerverständigung. Mit den Türken und den Deutschen hat das ja Tradition.“ Daß die Türken mal in die Bundesrepublik fliegen, hält Harms für wenig wahrscheinlich. „Die dürfen nicht so oft. Wir fliegen ja ein– bis zweimal jährlich ins Ausland. Und dann können die ja auch nicht über Griechenland rüber, das haben die Griechen nicht so gerne. Da müßten die einen Riesenumweg machen.“ „Kurdistan?!“ Ach, als Gast, da fragt man nicht gerne „nach so sensiblen Sachen“.