Almosen für Maxhütte

■ Wirtschaftspolitik a la Strauß: Viel Geld für Lufthansa und WAA, Sozialplan für die Maxhütte

Der „Stahlstandort Oberpfalz“ soll erhalten bleiben, tönt die Bayerische Landesregierung. Aber über 3.600 Arbeitsplätze werden abgebaut. Die Regierung stellt gerade soviel Mittel „flankierend“ zur Verfügung, wie die neuen Polizeiunterkünfte für die WAA–Bewacher kosten. Mit einem Warnstreik wollen die Stahlwerker erreichen, daß der Plan heute im Landtag scheitert.

Wie ein Relikt aus der Zeit der ersten Industrialisierung steht das Hüttenwerk im oberpfälzischen Sulzbach–Rosenberg düster, graubraun am Stadtrand. Der Rauch aus den Schornsteinen zieht den Hang hoch zum angrenzenden Waldstück. „Bevor sie damals eine neue Filteranlage eingebaut haben, konnte meine Mutter überhaupt keine Wäsche raushängen, - jetzt wirds ja bald nimmer rauchen, aber das is auch keine Lösung“, meint die junge Kindergärtnerin Sigrid Schober (25). Die drohenden Entlassungen und Arbeiterproteste sind auch das Tagesgespräch der jungen Frauen in ihrer Mittagspause. Vom Amberger Dultplatz aus ziehen am Montag die rund 200 Arbeiter mit Frauen und Kindern zum Landratsamt. Dort treffen sich an diesem Tag auf Initiative des CSU–Landrats Hans Wagner CSUler und SPDler aus der Region zu überparteilichen Gesprächen mit Wirtschaftsminister Jaumann und seinen Staatssekretären Georg Waldenfels und Dr.Wild. Gut ausgerüstet mit Signalhörnern, wie sie die Fußballfans benützen, ein Knopfdruck genügt und es entsteht ein ohrenbetäubender Lärm, gehts durch die Altstadt zum Amt. Sofort klettern zwei Kumpels mit Helm das schmiedeeiserne Tor hoch und befestigen ein Transparent mit der Aufschrift „Die Auszubildenden der MH fordern sichere Arbeitsplätze.“ Die Polizei läßt sie zunächst gewähren. Doch als einige sich gegen das Tor stemmen, wird die Stimmung aggressiver, und es kommt zu einer kurzen Rangelei. Dem kunstvoll geschnitzten Pleitegeier bricht dabei der Kopf ab. „Um eure Arbeitsplätze gehts ja ned, aber mir kenna ned alle zur Polizei gehn“, schreit ein Arbeiter den jungen Beamten zu. Tatsächlich haben schon etliche bei der Polizei um Arbeit angefragt. In Amberg soll die Zahl der Bereitschaftspolizei erhöht werden. Aber für die Stahlwerker stehen die Chancen schlecht. „In Regensburg bei BMW san ihnen schon die Bewerbungsbögen ausgegangen“, weiß der 32jährige Max Dietler vom Rohrwerk Maxhütte. Das Versprechen von 5.000 Ersatzarbeitsplätzen, die geschaffen werden sollen, nimmt der Regierung kaum einer ab. Vor allem nachdem vor wenigen Tagen AUDI Ingolstadt den Bau einer Teststrecke in Schnaittenbach bei Sulzbach–Rosenberg ablehnte und jetzt auch der CSU–Landrat Wagner zugibt, daß sich noch keiner der vom bayerischen Wirtschaftsministerium für die Region vorgeschlagenen Betriebe dort ansiedeln wollte. „Den Schmarrn glaubns doch selber ned“, schimpft der 39jährige Schichtführer Wolf Emil. Zwei Kinder hat er. Vor kurzem kaufte sich die Familie eine Eigentumswohnung vom Werk. Trotzdem hat der Oberpfälzer seinen Humor noch nicht ganz verloren. „Schreibens, i wandert ind DDR aus.“ Momentan am stärksten betroffen sind jedoch etwa 1.300 sog. „Sozialpläner“. Im Glauben, den Jüngeren den Arbeitsplatz freizumachen, kündigten sie und nahmen den Sozialplan der Maxhütte in Anspruch. Die Zuwendungen vom Werk fielen jedoch weg, und nur ein geringer Teil von ihnen hat die Zusage von der EG, die Montan–Unions–Vertragsgelder zu erhalten. „Mit 1.100 Mark soll i meinen Lebensunterhalt bestreiten, wie soll des geh“, fragt sich auch ein 57jähriger Sozialpläner verzweifelt, der Angst hat, seinen Namen zu nennen, weil sein Sohn Begabtenförderung bezieht. Während der Kundgebung wird aus den Fenstern des Landratsamts ganz ungeniert fotografiert. Inzwischen haben die Arbeiter vor dem Amt Unterstützung aus dem katholischen Lager, dem KAB (Katholischer Arbeiterbund) und dem Katholischen Frauenbund bekommen. Sie sind Teil eines vor wenigen Tagen gegründeten „Bürgerkomitees“, das vorige Woche gegründet wurde. Mit von der Partie sind auch einige Geschäftsleute aus Rosenberg. Der Hochaltar in der spätgotischen Amberger Kirche ist eingerahmt von Transparenten. Mit einem ökumenischen Gottesdienst soll die „Not von der Region“ abgewendet werden. Damit die „Geißel der Arbeitslosigkeit“ sie verschont, wird um die Ansiedlung von neuen Technologien gebetet. Das „Kyrie Eleison“ hallt nach draußen. „Zeit wirds, daß die Kirche auch was macht“, meint ein Ehepaar im Vorübergehen. Doch auf das Gebet allein will sich der Betriebsrat Franz Kick nicht verlassen. Er fordert die Arbeiter und Geschäftsleute noch mal vehement auf, den Druck besonders auf die CSU–Mandatsträger, die örtlichen CSUler zu verstärken. Tatsächlich gärt es bei den CSUlern aus der Region. So drohte der CSU–Ortsvorsitzende Willi Morgenschweiß bereits damit „die Parteibücher einzusammeln“, und auch von der oberpfälzischen Jungen Union hagelte es harsche Kritik an dem „politischen Betrug ersten Ranges“. Ob sich die Kritik jedoch auch bei der Abstimmung der Oberpfälzer Landtagsabgeordneten durchsetzt, wird sich heute im Maximilianeum zeigen. Falls der Kabinettsbeschluß am Mittwoch nicht revidiert werde, „muß die Oberpfalz brennen“, beschwor Betriebsrat Kick die Bevölkerung. Luitgard Koch