Deponie Schönberg gefährdet Wasser

■ Gutachten belegt: Sickerwasser der DDR–Mülldeponie kann das Lübecker Trinkwasser erreichen

Aus Kiel Henrich Fenner

Ein geologisches Gutachten, das nach Informationen aus Kiel der Lübecker Innenbehörde vorliegt, könnte das Ende der Sondermülltransporte nach Schönberg (DDR) bedeuten. Erstmals wurde der Untergrund der Deponie einer fachgerechten Risikoanalyse unterzogen. Ergebnis: Sickerwasser erreichen in spätestens elf Jahren die Grundwasserschicht, aus der die Stadt Lübeck ihr Trinkwasser bezieht. Der Gutachter Dr. Klaus Gronemeier schreibt unter anderem: „Der normale Betrieb gleicht einem andauernden potentiellen und latent aktuellem Störfall.“ Der Untersuchung liegen lediglich die offiziellen, von den DDR–Behörden zur Verfügung gestellten Daten zugrunde. Aber auch sie zwingen zu diesem alarmierenden Schluß. Die Deponie befindet sich auf einer eiszeitlichen Endmoräne. Nach unbestrittener Fachmeinung besteht diese Formation aus zerklüfteten Mergel– und Sandschichten. Fortsetzung auf Seite 2 Die Oberfläche wurde mit Bulldozern plattgewalzt, Sickerwasser kann daher ohne nennenswerten Widerstand die unter der Moräne liegende Grundwasserschicht erreichen. Ältere Gutachten der geologischen Landesämter von Schleswig–Holstein und Hamburg hatten das indirekt zugegeben, aber angenommen, eine wasserdichte Lehmschicht verhindere, daß die Deponieabwässer in westlicher Richtung abfließen und damit das Lübecker Trinkwasser gefährden könnten. Für diesen unterirdischen Wall liefert das Gutachten keinen Beleg. Historische Vergleiche der Grundwasserpegel zeigen vielmehr, daß Lübeck schon heute den Grundwasservorrat von Schönberg anzapft. Nach Plänen aus dem Jahre 1981 sollte in Schönberg eine der größten Müllhalden Europas entstehen. Noch im letzten Jahr waren sämtliche Landesregierungen übereingekommen, diesen kleinen Grenzverkehr für ihre kommunalen und industriellen Sonderabfälle offenzuhalten. Heute liegen ungefähr drei Millionen Tonnen Müllgemisch, zehn Meter hoch aufgeschichtet, auf einer Fläche von 80 Hektar. Seit einem Jahr klagt Lübecks Innensenator gegen die drohende Brunnenvergiftung seiner Stadt, systembedingt muß jede Transportgenehmigung einzeln angefochten werden. Vor etwa einem Monat hatte das Oberverwaltungsgericht wenigstens für einen Teil dieser Klagen aufschiebende Wirkung angeordnet. Die Verwaltungsgerichte von Schleswig und Hamburg haben sich dagegen auf die staatlichen Gutachten berufen, die eine aktuelle Gefahr ausschließen. Seit April dürfen deshalb unter anderem die Mülltransporte aus Hamburg wieder über die Grenze rollen. Hamburg ist der Hauptkunde der Deponie. 300.000 Tonnen Abfall, darunter auch hochgiftiger Hafenschlick, verlassen jedes Jahr die Hansestadt in Richtung Schönberg.