piwik no script img

Laurien förderte Rechtsradikalen

■ Die ehemalige Staatssekretärin im Mainzer Kultusministerium und jetzige Berliner Schulsenatorin Hanna–Renata Laurien veranlaßte eine Streichung in der Personalakte des Koblenzer Lehrers Koch / Keine Einwände gegen Beförderung / Anzeige wegen Aktenunterdrückung

Aus Koblenz Felix Kurz

Die Berliner Schulsenatorin Hanna–Renata Laurien (CDU) hat 1974 als Staatssekretärin im rheinland–pfälzischen Kultusministerium den rechtsradikalen Koblenzer Studiendirektor Rudolf Koch protegiert. Der Frankfurter Rechtsanwalt Christoph Kremer wirft der Senatorin vor, für die Entfernung einer negativen Beurteilung aus den Personalakten des zur Zeit wegen Beleidigung und Volksverhetzung angeklagten Lehrers gesorgt zu haben. Der Lehrer für Latein und Ethik mußte sich bereits vor Gericht wegen seiner Äußerungen „Auschwitz ist eine Erfindung der Amerikaner“, „allerhöchstens 40.000 Juden sind umgebracht worden“ und „die Grünen sind alle Lügner und Verbrecher, bei einer Erschießung der Grünen würde ich das Kommando übernehmen“ verantworten. Koch war in erster Instanz zu einem Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung und einem dreijährigen Berufsverbot wegen Beleidigung in drei Fällen, davon einmal in Tateinheit mit Volksverhetzung, verurteilt worden. Im ersten Urteil hatten sich die Richter ausdrücklich auch mit den gecleanten Personalakten des Angeklagten befaßt. So fanden sich ver schiedene Negativbeurteilungen, angefertigt durch den Oberstudiendirektor Manfred Neumann, einem früheren Vorgesetzten Kochs, nicht mehr in den Personalakten wieder. Das Gericht sprach in diesem Zusammenhang von „ungeklärt gebliebenen Vorgängen“ und von „unzulässiger Entfernung solcher Beurteilungen aus den Personalakten“. Auf Seite 36 des Urteils wurden die Richter sogar noch deutlicher. Möglicherweise seien die Beurteilungen „auf Anweisung von höherer Stelle nicht zu den Personalakten gelangt“. Koch war seit April 66 im rheinland–pfälzischen Schuldienst beschäftigt, und seitdem gab es gegen ihn eine „unfaßbare Fülle von Beschwerden und Vorwürfen“. Dies bestätigten auch Kochs Schulleiter. Trotzdem taten selbst die negativen dienstlichen Beurteilungen der Karriere des rechtsgerichteten Pädagogen, der permanent seine Schüler mit „braunem Gedankengut indoktrinierte“, Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar und Bericht auf den Seiten 4 und 5 w i n d g r i f f manche wörter leicht wie pappelsamen steigen vom wind gedreht sinken schwer zu fangen tragen weit wie pappelsamen manche wörter lockern die erde später vielleicht werfen sie einen schatten einen schmalen schatten ab vielleicht auch nicht H. M. Enzensberger keinen Abbruch. Innerhalb von nur sieben Jahren katapultierte ihn die rheinland–pfälzische Kultusbürokratie vom angestellten Assessor in den Rang eines Studiendirektors. Nicht zuletzt mit Hilfe von Hanna–Renata Laurien, wie jetzt die vorgelegten Schreiben belegen. Unter den durch den Rechtsanwalt der Grünen präsentierten Dokumenten befindet sich auch eine Anweisung der damaligen Staatssekretärin Laurien an den zuständigen Disziplinar– und Schulaufsichtsbeamten der Koblenzer Bezirksregierung. Mit Datum vom 11.9.74 schreibt das Regierungsmitglied Laurien an den Herrn Oberstudiendirektor Dietz: „Ich bitte Sie nun folgendes zu veranlassen... 2. die Beurteilung von Herrn Dr. Neumann sollte, zumal sie ja weder Belastendes noch sonst Ärgerliches enthält, aus den Personalakten entnommen wer den. Über diese Tatsache ist ein Vermerk in den Personalakten niederzulegen.“ Und unter Punkt 3 fügt sie hinzu: „Herr Koch wird sich in nächster Zeit um eine A–15– Stelle bewerben; dagegen ist nichts einzuwenden.“ Hanna–Renata Laurien ging es um eine dienstliche Beurteilung von Koch, die der Schulleiter des Görres– Gymnasiums, Manfred Neumann, am 23.11.72 angefertigt hatte. Was Laurien als „nichts Belastendes“ empfand, formulierte Neumann damals so: „Leider glaubt er (Rudolf Koch, d.Red.) häufig, einer falschen politischen Indoktrinierung der Schüler entgegentreten zu müssen und schweift deshalb im Fachunterricht in politische Exkurse ab, wobei sich eine einsetige Politisierung des Unterrichts nicht vermeiden läßt.“ Gegen die Entfernung der Neumannschen Beurteilung aus den Personalakten sprachen sich „aus rechtlichen Gründen“ in einem Brief an Frau Laurien ihr Ministerialdirigent Dr.Landre und auch der Justitiar des Kultusministeri ums Dr. Albert aus. Der hatte im übrigen zuvor in mehreren Briefen gegenüber Koch klargestellt, daß man schon von Gesetzes wegen nichts aus der Personalakte entfernen dürfe. Koch schrieb daraufhin an den damaligen Ministerpräsidenten Helmut Kohl einen Beschwerdebrief über das Kultusministerium. In dem Brief vom 20.6.74 an Kohl schreibt Koch: „..da das Kultusministerium - trotz mehrmaliger intensiver Bemühungen des Herrn Abgeordneten Geil - zu einer objektiven Behandlung oder auch nur zu einer Untersuchung der Vorgänge offensichtlich nicht bereit ist, wende ich mich mit der Bitte um Ihr Eingreifen und Ihre Unterstützung an Sie.“ Dann reicht Koch dem Ministerpräsidenten erst einmal die Hand zum Denuziantentum, „ich bin ferner bereit und in der Lage, Ihnen, sehr verehrter Herr Ministerpräsident, weiter gravierende Fälle von politischer Relevanz mit den nötigen Beweisen mitzuteilen“, um dann als Gegenleistung zu fordern: „Ich bitte Sie höflichst, sich dafür einzusetzen, daß Beurteilungen wie die vom 23.11.72 umgehend verschwinden und künftig unmöglich werden.“ Das klingt fast wie die Endlösung für seine negativen Beurteilungen. Zeitlich danach, am 7.8.74, bat dann Kohls Staatssekretär Willibald Hilf, heute SWF–Intendant, beim „Lieben Bernd“, gemeint war der Kultusminister Bernhard Vogel, heute Ministerpräsident, schriftlich um Aufklärung. „Der Herr Ministerpräsident wäre insbesondere dankbar, wenn auch die Frage geklärt würde, wieso Herr Koch im Kultusministerium „als faschistisch“ angesehen wird. Einen Monat später erging dann die Anweisung von Hanna–Renate Laurien, die Personalakte zu frisieren. Die Grünen und die Alternative Liste Berlin erwägen nun, gegen Frau Laurien wegen Aktenunterdrückung Strafanzeige zu stellen. Rechtsanwalt Kremer vertritt in dem Berufungsverfahren gegen Koch vor der 9. Großen Strafkammer des Koblenzer Landgerichts den rheinland–pfälzischen Lan desverband der Grünen als Nebenkläger.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen