Krise um Demjanjuks Verteidigung

■ Mitarbeiter von Anwalt OConnor möchte selbst die Verteidigung übernehmen / Gericht gibt Demjanjuk bis Montag Zeit, sich zu entscheiden / Sein Anwalt erklärt ihn für „total verwirrt“

Aus Tel Aviv Amos Wollin

Das Gericht von Jerusalem hat dem wegen Kriegsverbrechen angeklagten John Demjanjuk bis kommenden Montag Zeit gegeben, zu entscheiden, ob er seinen amerikanischen Verteidiger Mark OConnor entlassen will. Just zu dem Zeitpunkt des seit fünf Monaten laufenden Verfahrens, an dem die Verteidigung zum Zuge kommen soll, ist zwischen den Anwälten und der Familie Demjanjuks ein handfester Streit ausgebrochen. Die Familie des Angeklagten hat sich offenbar von dem israelischen Mitarbeiter OConnors, Joram Scheftel, überreden lassen, daß dieser nun selbst die Verteidigung übernimmt. Berater ist weiterhin John Gill, außerdem soll John Broadley, Partner eines großen Washingtoner Anwaltsbüros, hinzugezogen werden. Das israelische Justizministerium hat Broadley jedoch noch keine Genehmigung erteilt, und Richter Lewin ist nicht bereit, dem Gesuch der Verteidgung auf einen weiteren Aufschub des Verfahrens stattzugeben, damit sich das neue Team einarbeiten kann. Hinter den Kulissen spielt sich ein intrigenreicher Kampf zwischen den Anwälten ab, wobei der israelische Rivale OConnors die Rolle des Staranwalts übernehmen möchte, was auch seinem Einkommen - bisher erhält er angeblich „nur“ 5.000 Dollar monatlich - nicht abträglich wäre. Demjanjuks Familie in Cleveland hat mit Hilfe ukrainischer Emigranten–Organisationen hohe Summen - es ist die Rede von fast einer Million Dollar - für die Verteidigung gesammelt und scheint auf Drängen Scheftels bereit zu sein, OConnor als Hauptverteidiger zu entlassen. Spannungen und Rivalitäten zwischen den beiden Anwälten hatten sich in letzter Zeit verstärkt, und OConnor hatte die Absicht, Scheftel durch einen religiösen, jüdischen Verteidiger aus den USA zu ersetzen. Andererseits soll Scheftel Demjanjuks Familie auf seine Seite gebracht haben, indem er seine Beziehungen zur Staatsanwaltschaft und die damit verbundenen besseren Chancen zur Rettung des Angeklagten ins Felde führte. Anfang Juli hatte Demjanjuk dann in einem Brief an OConnor und das Gericht seinen bisherigen Hauptverteidger entlassen. Formell behält OConnor seine Funktion, solange ihn das Gericht nicht seines Amtes enthebt. Auf einer Pressekonferenz erklärte der amerikanische Anwalt, Denjanjuk habe nicht gewußt, was er unterschreibt, er sei total verwirrt. Der Prozeß soll demnächst mit einer Erklärung und der Vernehmung des Angeklagten fortgesetzt werden. Demjanjuk streitet ab, mit „Iwan dem Schrecklichen“ aus Treblikna identisch zu sein.