Barbie–Prozeß im englischen TV

■ Am Mittwoch abend strahlte das BBC ein Fernsehstück zum Fall Barbie aus / Drehbuch wurde anhand der Stenogrammprotokolle aus Lyon geschrieben / Bühnenwirksame Inszenierung mit dramatischen Akzenten

Aus London Uta Ruge

Keine zwei Wochen nach der Urteilsverkündung in Lyon hatte die BBC - in Koproduktion mit einer kommerziellen Filmgesellschaft - das Stück zum Fall fertig. „Der Prozeß gegen Klaus Barbie“, ein Fernsehspiel von Ray Jenkins, wurde am Mittwochabend im zweiten Fernsehprogramm ausgestrahlt. Angesehene Schauspieler treten auf - Maurice Denham spielt Barbie und sowohl für sie als auch für die fast hundert Komparsen sei es eine Zeit intensiver Diskussionen und Auseinandersetzungen gewesen, so die Fernsehzeitschrift Radio Times. Aus zweihundert Prozeßstunden sind 90 Fernsehminuten zusammengestellt worden; die Produktion der Sendung dauerte nicht länger als drei Wochen, in denen der Drehbuchautor tägliche Stenogrammprotokolle aus Lyon erhielt, drei Beobachter ihm minutiöse Berichte von Kleidung, Mimik und Gebärdenspiel aller Beteiligten übersandten und der Gerichtssaal nach Fotographien aus Lyon nachgebaut wurde. Dem Resultat ist anzumerken, daß die ursprünglich als Fokus des Geschehens gedachte Hauptfigur, nämlich Barbie, sich entzogen hatte. Seine wenigen Auftritte vor Gericht sind in diesem Dokumentationsspiel allesamt enthalten und werden möglichst dramatisch und mit Nahauf nahme des geschminkten (Denham/Barbie–) Gesichtes zelebriert. Die übrige Zeit des Dramas müssen sich die Zeugen mit den als Hauptpersonen behandelten Anwälten Calder/Verges und Welland/Klarsfield teilen; ihre Feindseligkeit gegeneinander wird kontrastreich gespielt von einer „aufmerksamen“ Kamera, immer wieder durch Schwenks auf ein maliziöses Lächeln bei Verges oder ein empörtes Stirnrunzeln betont. In der Auswahl von 18 Zeugen der Anklage - aus 90 im Prozeß aufgetretenen - hat sich das Kriterium der Bühnenwirksamkeit durchgesetzt: möglichst grauenhafte Folter oder hochemotionale Erinnerungen an ermordete Familienangehörige werden wiedergebeben. Verges Versuche, seine Verteidigung von Barbie mit Anklagen gegen den französischen Rassismus und Kolonialismus zu verknüpfen, werden dramaturgisch mit milder Abscheu behandelt. Insgesamt bleibt dies der einzige Hinweis auf eine möglicherweise auch außerhalb des Gerichtssaals existierende Diskussion in Frankreich; keiner, der das Prozeßgeschehen selbst nicht bereits in der Presse verfolgt hatte, kann deren politische Bedeutung hieraus auch nur erahnen. Der Independent nannte am nächsten Morgen die ganze Show treffend eine „Instant–Katharsis per Fernsehen“.