Polamidon–Vorstoß in NRW umstritten

■ Modellversuch des Gesundheitsministers Heinemann in einigen NRW–Städten / Drogenabhängige sollen von Drogenberatungsstellen aus mit der Ersatzdroge versorgt werden / Hoffnung auf Rückgang der Prostitution

Aus Bochum Corinna Kawaters

Ab Herbst 87 soll in Essen, Bochum und Düsseldorf ein Modellversuch starten, bei dem sich Drogensüchtige mit Hilfe der Ersatzdroge Polamidon von der Sucht befreien können sollen. Das Mittel, in der Öffentlichkeit als „Methadon“ bekannt, soll den Süchtigen in täglichen Rationen von Ärzten oder Gesundheitsämtern kostenlos zugeteilt werden. Dieser Vorstoß des NRW–Gesundheitsministers Heinemann ist bei Ärzten und Therapeuten umstritten. Ihr Argument: Eine Sucht werde durch die andere ersetzt. Für Heinemann stehen hinter den Gegenargumenten jedoch „ideologische Verbohrtheit, Besserwisserei und Arroganz“. Polamidon ist keinesfalls die Wunderpille, die die Betroffenen sofort suchtfrei macht. Vielmehr bleiben sie für lange Zeit oder für immer von dieser Ersatzdroge abhängig. Die Hoffnung, die dennoch in diesem Projekt steckt, ist, daß durch die kostenlose Abgabe des Mittels die Begleiterscheinungen der Sucht wie Kriminalität und Beschaffungs–Prostitution (Problemkreis AIDS) eingedämmt werden. Der Modellversuch sieht vor, daß die Polamidon–Vergabe von einer ärztlichen und einer sozialen Beratung einer der örtlichen Drogenberatungsstellen begleitet wird. Nach Ansicht von Uschi Fechter, Mitarbeiterin der Bochumer Drogenberatungsstelle, kann in der Polamidon– Vergabe nur „ein ganz wichtiges, zusätzliches Angebot zur Sozial– Beratung“ gesehen werden. Die Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Projekts liegen in der Finanzierung. Das Land zahlt nur einen Zuschuß zu jeweils einer noch einzurichtenden Sozialarbeiterstelle. Den Rest sollen die Städte zuschießen. Das stößt in Essen auf erhebliche Schwierigkeiten. Der städtische Haushalt muß dort von einem Spar–Kommissar des Regierungspräsidenten genehmigt werden. Die Auflage an den Rat lautet: Keine Finanzierung von Extras, Streichung von Stellen überall. „Zwar jubeln wir, daß unsere alte Forderung nach der Ermöglichung der Polamidon–Vergabe endlich genehmigt wurde, aber es kann nur laufen, wenn auch die Stellen eingerichtet werden“, sagt Alfred Fehrens von der Essener Krisenhilfe. Er hält es für fraglich, ob dieser Modellversuch ausreicht. Allein in NRW sind im vergangenen halben Jahr 46 Drogensüchtige an einer Überdosis gestorben. Vom Modellversuch erfaßt werden nur die Süchtigen, die sich in einer der Städte registrieren lassen, die an dem sozialen Begleitprogramm teilnehmen, eine bestimmte Altersgrenze erreicht und schon einen Therapieversuch abgebrochen haben. Siehe Kommentar