Wahlen sollen deutsch bleiben

■ Ausländerwahlrecht: CDU droht Klage an / Ex–Bundesverfassungsrichter Benda hält es für „erwägenswert“ / Innenminister Zimmermann weiß es besser: „eindeutig verfassungswidrig“

Berlin (dpa/taz) - Noch bevor sich in Hamburg SPD und FDP bei ihren Koalitionsverhandlungen definitiv auf ein kommunales Wahlrecht für Ausländer geeinigt haben, droht die CDU diesem seit Jahren überfälligem Vorhaben schon mit einer Klage. Der stellvertretende Hamburger CDU– Fraktionsvorsitzende Kelber erklärte gestern, die CDU werde „nicht vielleicht, sondern ganz sicher“ mit einer Verfassungsklage ein solches Wahlrecht zu verhindern suchen. Als selbsternannte Bundesverfassungsrichter hatten Innenminister Zimmermann und Kanzleramtsminister Schäuble ein Wahlrecht für Nicht–Deutsche schon vorher für „eindeutig verfassungswidrig“ erklärt. Dem gegenüber hat gestern ein „echter“, ehemaliger Bundesverfassungsrichter Verständnis für die Forderung nach einem Ausländerwahlrecht bekundet. Der Ex– Präsident des Bundesverfassungsgerichts Ernst Benda erklärte in einem Interview mit der Hamburger Morgenpost: „Der Ausländer ist Staatsbürger unter anderem auch, wenn er nicht Deutscher ist.“ Im Rahmen des rechtlich Möglichen sei es ein „erwägenswerter Gedanke“, ihm auch Mitwirkungsmöglichkeiten einzuräumen. „Politisch habe ich dafür Verständnis. Juristisch war lange Zeit die überwiegende Meinung, daß es nicht ginge. Aber die überwiegende Meinung muß nicht immer die richtige sein.“ Tatsächlich gibt es bisher unterschiedliche juristische Expertisen über die Verfassungsmäßigkeit des Ausländerwahlrechts, das seit Jahren nicht nur von Ausländerorganisationen selber, sondern auch vom DGB und zahlreichen Einzelgewerkschaften und den Kirchen gefordert wird. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat z.B. die Rechtmäßigkeit zumindest des kommunalen Ausländerwahlrechts bejaht. Auch der wissenschaftliche Parlamentsdienst des Berliner Abgeordnetenhauses war schon vor vier Jahren in einem ausführlichen Rechtsgutachten zu der Auffassung gekommen, daß „die gegenwärtige Verfassungslage ein aktives Wahlrecht für Ausländer zu den Bezirksverordnetenversammlungen nicht ausschließt“. Auch gegen das passive Wahlrecht für Ausländer gebe es „keine verfassungsrechtlichen Bedenken.“ Während die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Lieselotte Funcke (FDP), gestern ein Ausländerwahlrecht ausdrücklich begrüßte, heizte ihr Parteikollege, der innenpolitische Sprecher der FDP, Burkhard Hirsch, die Debatte von einer anderen Seite an. Das Ausländerwahlrecht sei ein „Irrweg“, meinte Hirsch. Er fürchte, daß sich die extremen politischen Kräfte unter den Ausländern durchsetzten und sich Parteien nach dem Vorbild ihrer Heimat bildeten. Eher Ähnlichkeiten zwischen den Interessen von Deutschen und Ausländern dokumentiert dagegen eine Meinungsumfrage, die die Stadt Dortmund unter Deutschen und Ausländern durchführen ließ und die am Mittwoch vorgestellt wurde. Darin setzten Deutsche und Ausländer für die Kommunalpolitik ähnliche Schwerpunkte. Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit und gegen Umweltverschmutzung standen bei den Befragten an oberster Stelle. Nach der Dortmunder Studie sprachen sich 66 Prozent der befragten Ausländer für ein Wahlrecht aus, aber nur 34 Prozent der Deutschen. Durch das bisher fehlende Wahlrecht für Ausländer werden z.Zt. rund sechs Prozent der Gesamtbevölkerung im wahlfähigen Alter von der Stimmzettelabgabe ausgeschlossen. Ve.