Neulich in der Frauenredaktion...

..erfuhr ich eine bislang nicht gekannte Freiheit. Niemand will mehr was von mir, weil alle Aktivistinnen an Stränden hängen, auf Wiesen liegen oder die Bergwelt genießen. Da fordert mich keine Frauengruppe ultimativ auf, die fünfzehnte Erklärung zum grünen Mütterstreit zu dokumentieren, kein Kongreß stürzt ab ohne Unterstützung der taz, ich bleibe glaubwürdig als Feministin, obwohl kein Bericht erscheint über das Frauensommerfest in Untereggenbach, das leider verregnet war. Endlich darf ich mich fragen: was interessiert mich eigentlich? Zum Beispiel das Leben (gehört sich auch für jede ordentliche Frau). „Fünf Milliarden Menschen auf der Erde“, titelt dpa und berichtet, daß in Zagreb, Jugoslawien, ein Kind geboren wurde von einer Kinderpflegerin (wie praktisch). Dies sei der fünfmilliardste Mensch. „Wie haben die das nur rausbekommen, daß es genau das Kind ist und kein anderes?“, frage ich mich, wie immer um journalistische Redlichkeit bemüht. Schließlich werden in jeder Minute 150 Babies geboren, außerdem sterben noch Leute und ich stelle mir diese Zählerei aufwendig und schwierig vor. Ist es aber nicht, werde ich dann aufgeklärt, es wird nämlich nur hochgerechnet (mit Computern). Die Ehrung dieses Kindes ist symbolisch. Zagreb als Geburtsort wurde ausgesucht, weil dort gerade die internationale Sommer– Universiade stattfindet (für Nichtsportler: das sind Sportwettkämpfe). Rein symbolisch ist selbstverständlich auch das Geschlecht dieses Menschen: männlich. Weiblich wäre auch unpassend gewesen, denn auf der Feier zum Ereignis redete UNO–Generalsekretär Perez de Cuellar, daß die Geburt des kleinen Jungen „eine künftige Generation von Männern des Friedens“ markieren werde. Hätte sich ja komisch angehört, „eine künftige Generation von Frauen des Friedens“, so friedlich wie die sowieso die ganze Zeit sind. Die Frankfurter Rundschau veröffentlicht sogar ein Foto von der Feierstunde und Artikel auf Seite eins. Das ist eben der feine Unterschied. Die einen haben das Sommerloch als Foto auf Seite eins oben, die anderen als Kästchen auf der Frauenseite unten. Gunhild Schöller