COSATU fordert umfassende Sanktionen

■ Konferenz des Kongresses südafrikanischer Gewerkschaften (COSATU) beendet / Resolution zu Wirtschaftssanktionen und zur Desinvestmentpolitik verabschiedet / Politische Isolierung Südafrikas gefordert / „Freiheitscharta“ des ANC angenommen

Aus Johannesburg Hans Brandt

Mit einem „Kulturtag“ auf dem Gelände der Johannesburger Witwatersrand Universität ging am Samstag die Konferenz des Kongresses südafrikanischer Gewerkschaften (COSATU), der mit fast 800.000 Mitgliedern größten Gewerkschaftsföderation des Landes, zu Ende. Mit Tausenden tanzender, feiernder Arbeiter, mit Arbeiterchören, die Freiheitslieder sangen, und einer Vielzahl von Dichterlesungen und Theateraufführungen wurde nochmals jene Widerstandskultur demonstriert, die für den Kampf gegen die Apartheid charakteristisch geworden ist. Die ungebrochene Militanz, die dabei zum Ausdruck kam, bestimmte auch in den drei vorangegangenen Tagen die Debatten der über 1.400 Delegierten bei der Konferenz. Zur Praxis von Wirtschaftssanktionen gegen Südafrika stellte der Gewerkschaftskongreß in einer Resolution fest: „Selektive Sanktionspakete werden weder gegen das Kapital noch gegen den Staat effektiv sein. Sie können ernsthafte regionale Arbeitlosigkeit verursachen und nutzen oft eher den Interessen imperialistischer Staaten als denen der südafrikanischen Arbeiterklasse.“ Daher ruft die Resolution in einem zweiten Teil zu „umfassenden und obligatorischen Sanktionen“ auf. Sie müßten verhängt werden, „um dieses Regime zu entfernen und eine neue, demokratische Gesell schaft in Südafrika aufzubauen“, erklärte COSATU–Pressesprecher Frank Meintjies. Auch mit den Folgen der Desinvestment–Politik zeigte sich die COSATU unzufrieden: „Desinvestment, wie es zur Zeit durchgeführt wird, ist nichts mehr als ein Tarnmanöver, das es diesen Konzernen möglich macht, das südafrikanische Regime noch stärker zu unterstützen.“ Gefordert werden „Solidaritätsaktionen der internationalen Arbeiterklasse“ und der Abbruch aller wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen des Auslands zu Südafrika. Internationale Konzerne sollen COSATU jedoch frühzeitig von ihrer Rückzugsabsicht benachrichtigen, so daß „echte Verhandlungen“ stattfinden können. Als unannehmbar bezeichnete COSATU–Generalsekretär Jay Naidoo den Verkauf von Firmen an südafrikanische Gesellschaften. COSATU lehne es auch ab, solche Betriebe einer schwarzen Geschäftsleitung zu unterstellen. Die Betonung der „internationalen Arbeitersolidarität“ in der Resolution zu Sanktionen deutet auf neue Akzente im Verhältnis der COSATU zu ausländischen Gewerkschaften hin. An erster Stelle stehen nun gute Beziehungen zu „Organisationen der Arbeiterklasse, die einen militanten, antiimperialistischen Kampf“ in der Dritten Welt führen. Gleichzeitig sollen alle Verbindungen mit Gewerkschaftsorganisationen abgebrochen werden, die „un sere Politik und Grundsätze weiter unterminieren“. Gemeint ist vorrangig die US–amerikanische Organisation AFL–CIO. Doch auch die Politik anderer Gewerkschaften in den Industrieländern, darunter der Internationale Bund freier Gewerkschaften (IBFG), wird in Frage gestellt. Bedeutsam für die weitere Entwicklung von COSATU im Widerstand gegen die Apartheid war ebenfalls die Diskussion über die politische Position der Föderation, die die Konferenz beherrschte. Wie erwartet akzeptierte COSATU die sogenannte Freiheitscharta als Grundsatzdo kument seiner Politik. Damit reiht sich die Gewerkschaftsbewegung eindeutig in die vom verbotenen Afrikanischen Nationalkongreß (ANC) geführte Oppositionsfront ein. Die Zusammenarbeit mit der Vereinigten Demokratischen Front (UDF), dem größten internen Oppositionsbündnis, soll zudem formalisiert werden, ohne daß COSATU seine Unabhängigkeit aufgibt. Gleichzeitig schloß COSATU eine Zusammenarbeit mit Organisationen der „Black Consciousness“ (BC) Richtung aus, die nicht der Forderung entsprechen, „nicht–rassistisch“ zu sein. Der Versuch linker Gewerkschafter, die Freiheitscharta durch ein sogenanntes „Arbeiterprogramm“ zu ergänzen, wurde nach heftigen Debatten zurückgewiesen. Das „Arbeiterprogramm“ sollte sicherstellen, daß Südafrikas Entwicklung auf dem Weg zu einer sozialistischen Gesellschaft nicht in dem von der Freiheitscharta vorgesehenen, gemischtwirtschaftlichen Stadium stecken bleibt. Allerdings macht auch die verabschiedete COSATU–Resolution deutlich, daß die Freiheitscharta lediglich die „Mindestforderungen“ der Gewerkschaften enthält.