IG Chemie schafft „Jahrhundertwerk“

■ Nach sechs Jahren Verhandlungen wurde jetzt der Entgelttarifvertrag abgeschlossen / Arbeiter und Angestellte in einheitlicher Tarifsystematik / Statusunterschiede verschwinden

Von Martin Kempe

Berlin (taz) - Mit dem Abschluß des Entgelttarifvertrages in der Chemieindustrie ist den Tarifparteien nach ihrer Eigeneinschätzung ein „Jahrhundertwerk“ gelungen. Das Ende der sechs Jahre andauernden Verhandlungen über die Abschaffung der finanziellen Statusunterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten verlief unerwartet: Nachdem die IG Chemie und die Chemie–Arbeitgeber sich bis Donnerstag abend nicht auf eine endgültige Fassung hatten einigen können, verlagerte man die Verhandlungen in die Schlichtung, in der je drei Vertreter beider Organisationen sitzen. Am Sonnabend morgen schließlich das Ergebnis: - Im Sommer dieses Jahres werden die Löhne und Gehälter um 3,8 Prozent angehoben; - im Sommer 1988 tritt der Entgelttarifvertrag für Arbeiter und Angestellte in Kraft, durch den die bisher getrennten Berufsgruppen in einer gemeinsamen Tarifsystematik zusammengefaßt werden, die sich nicht am Status, sondern an der konkreten Tätigkeit und Qualifikation orientiert; - ebenfalls im Sommer 1988 werden die Einkomen um 2,5 Prozent erhöht; - im Sommer 1989 wird die regelmäßige Wochenarbeitszeit für die Beschäftigten der Chemieindustrie von 40 auf 39 Stunden gesenkt, die Einkommen werden um zwei Prozent angehoben; - Beschäftigte über 58 brau chen ab 1989, 57jährige ab 1990 nur noch 35 Stunden zu arbeiten. Neben dem Abschluß des Entgelttarifvertrages gilt die Wochenarbeitszeitverkürzung als zweites bemerkenswertes Ergebnis des Neben der Bauindustrie ist die Chemieindustrie die letzte große Industriebranche, in der die 40–Stunden–Woche noch gilt - Ergebnis der Gewerkschaftspolitik, die den von der IG Metall und IG Druck und Papier geführten Kampf für Wochenarbeitszeitverkürzung erbittert bekämpfte und statt dessen auf Vorruhestandsregelungen setzte. Die Vorruhestandsregelung für die Chemieindustrie wird Ende 1988 endgültig auslaufen, weil die Bundesregierung - wie die Tarifparteien übereinstimmend beklagten - sich weigere, das Vorruhestandsgesetz über 1988 hinaus zu verlängern. Hauptstreitpunkt bei den Verhandlungen war die Einkommensabsicherung für die technischen Angestellten, die mit den bisher weniger verdienenden kaufmännischen Angestellten in einer Gehaltsgruppe zusammengefaßt werden sollten, und für jene Meister und Angestellte, die mit den qualifizierten Facharbeitern gemeinsam eingestuft werden. Während für die Facharbeiter großenteils Vorteile entstehen, wurden für die Angestellten zeitlich unbefristete Besichtsstandsregelungen vereinbart. Nur neu eingestellte Angestellte müssen teilweise mit einer Senkung ihrer tariflichen Einkommen rechnen.