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„Werdet Partner der unterdrückten Mehrheit!“

■ Die Reise des DGB–Chefs Ernst Breit zum COSATU–Kongreß war politisches Signal: Beziehungen zwischen deutschen und südafrikanischen Gewerkschaften intensiviert / Die IG Bergbau ist besonders aktiv / Unterstützende Arbeitskämpfe bleiben aber aus

Von Martin Kempe

Berlin (taz) - Der DGB–Vorsitzende Ernst Breit hat in der vergangenen Woche während seines Besuchs in Südafrika den Generalsekretär der südafrikanischen Dachgewerkschaft COSATU, Jay Naidoo, zu einer Reise in die Bundesrepublik eingeladen. Breit wollte mit seiner Reise ein politisches Signal setzen. Die Beziehungen zwischen der deutschen und der jungen südafrikanischen Gewerkschaftsbewegung haben sich in den letzten Jahren deutlich intensiviert. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat, so heißt es in einer Mitteilung des Daimler–Benz–Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Lucy vom 30.Juni, „haben sich nachhaltig für weitergehende sozialpolitische Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Schwarzen bei der Mercedes Benz of South Africa eingesetzt“. Insbesondere fordern die deutschen Betriebsräte, mehr schwarze Auszubildende in der südafrikanischen Daimler–Filiale einzustellen. Solange das Engagement der Daimler–Benz AG in Südafrika bestehe, so die Erklärung, würden die Arbeitnehmervertreter für „sozialpolitische Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Schwarzen eintreten“. Das reiche nicht aus, erwiderten drei Tage später die Betriebsräte der oppositionellen Plakat–Gruppe bei Daimler Untertürkheim in einem Offenen Brief. Die zentrale Frage sei die Zusammenarbeit des Daimler– Konzerns mit dem rassistischen Regime, die Lieferung von Rüstungsgütern für den südafrikanischen Militär– und Unterdrückungsapparat. Die deutschen Arbeitnehmer im Aufsichtsrat sollten endlich klarmachen, daß sie es nicht mittrügen, Südafrika weiter mit Rüstungsgütern zu beliefern. „Werdet endlich Partner der unterdrückten Mehrheit in Südafrika. (...) Kündigt die Partnerschaft mit dem Daimler–Benz– Vorstand auf - wenigstens an diesem Punkt.“ Die Auseinandersetzung unter den deutschen Daimler–Betriebsräten ist typisch für die Ambivalenz, mit der die hiesigen Gewerkschaften sich der Tatsache stellen, daß bundesdeutsche Industrieunternehmen in der Wirtschaft des Apartheid–Regimes eine tragende Rolle spielen. Die Zweigwerke der Mächtigen - Daimler, VW, BMW, Siemens usw. - mit Tausenden Beschäftigen sind inzwischen zu Hochburgen der südafrikanischen Gewerkschaftsbewegung geworden. VW ist ein Bei spiel dafür. Der Wolfsburger Konzern hat in Uitenhage einen Betrieb mit fast 6.000 Beschäftigten, die in der Metallarbeitergewerkschaft NUMSA organisiert sind. Der Gesamtbetriebsrat von VW hat seit einigen Jahren einen Unterausschuß gebildet, der die Beziehungen zu den Belegschaftsvertretungen in den ausländischen VW–Werken organisiert. Während einer internationalen „Konferenz der VW–Arbeiter“ im letzten Herbst in Wolfsburg erläuterte der schwarze Gewerkschaftsführer John Gomomo die Forderungen der südafrikanischen Gewerkschaften: Jede Unterstützung des Apartheid–Regimes muß aufhören, Investitionsstopp für die südafrikanischen Niederlassungen, Boykott südafrikanischer Produkte, Beendigung jeder rassistischen Diskriminierung innerhalb der Werke, Beachtung gewerkschaftlicher Rechte. Von den deutschen Gewerkschaften erwartet man einerseits politische Unterstützung, aber auch konkreten Einsatz von deutschen Aufsichtsratsmitgliedern und Gesamtbetriebsräten für die Interessen der überwiegend schwarzen Belegschaft. Auf seinem Kongreß im Mai vergangenen Jahres machte sich der DGB die Forderungen der schwarzen Schwestergewerkschaften nach Abzug der Investitionen zu eigen. Und der Internationale Bund freier Gewerkschaften (IBFG), dem die südafrikanische Gewerkschaft COSATU beigetreten ist, rief auf, „international Arbeitskampfmaßnahmen zu propagieren, um den südafrikanischen Interessen auf jede nur mögliche Weise entgegenzuwirken“. Auf unterstützende Arbeitskämpfe in den westeuropäischen oder amerikanischen Mutterkonzernen warten die südafrikanischen Gewerkschaften aber vergeblich. Eine besonders aktive Rolle in den Unterstützung der südafrikanischen Gewerkschaften spielt die DGB–Gewerkschaft, die sonst eher dem konservativen Flügel innerhalb der deutschen Gewerkschaftsbewegung zuzurechnen ist: die IG Bergbau und Energie (IGBE). Seit Jahren schon berichtet sie in ihrem Mitgliedermagazin einheit ausführlich über die gewerkschaftlichen Kämpfe in Südafrika, über die mörderischen Arbeitsbedingungen in den südafrikanischen Bergwerken, über eine Solidaritätskampagne der IGBE– Jugend zugunsten der Bergleute am Kap. Im Frühjahr hielt der IGBE–Vorsitzende Hans Werner Meyer vor 15.000 schwarzen Bergarbeitern eine vielbeachtete Rede gegen die Apartheid. Hier in der Bundesrepublik setzte sich Meyer für wirksame Boykottmaßnahmen gegen Kohleimporte aus Südafrika ein - wobei natürlich das Eigeninteresse der von Zechenschließungen bedrohten IGBE eine wichtige Rolle gespielt haben dürfte. Dennoch ist bemerkenswert, daß Meyer darauf verzichtet, die südafrikanische Schwestergewerkschaft auf den betulichen politischen Stil der bundesdeutschen Gewerkschaftsbewegung festzulegen und z.B. den ehernen Grundsatz des Deutschen Gewerkschaftsbundes, die Gewaltlosigkeit der gewerkschaftlichen und politischen Aktion, auf Südafrika nicht unter allen Umständen überträgt. Der DGB erklärt, er könne den südafrikanischen Gewerkschaften nicht vorschreiben, wie sie ihren Kampf um elementare Menschen– und Gewerkschaftsrechte führen sollen. „Wir können ihnen nur unsere politische und praktische Unterstützung anbieten“, heißt es. Wobei die Gewerkschaftszentralen über die praktische Unterstützung nur zurückhaltende Auskünfte geben - wegen der rigiden südafrikanischen Gesetzgebung, die unter anderem alle finanziellen Zuwendungen aus dem Ausland verbietet.

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