Mit „Chips–Technologie“ die Krisenregionen sanieren

■ Hessische Pläne für Spielbanken / Grüne fordern geringeren Mindesteinsatz

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Frankfurt(taz) - Der FDP–Vorsitzende im hessischen Landtag Otto Wilke, der in den diversen politischen Zirkeln der Landeshauptstadt Wiesbaden ohnehin als „Glücksritter“ gehandelt wird, will sich einen Jugendtraum erfüllen. Mit christdemokratischer Unterstützung hofft der „freie“ Demokrat jetzt Pläne verwirklichen zu können, die bereits zu Zeiten der SPD–Minderheitsregierung unter Holger Börner zur Sanierung der nordhessischen Krisenregionen durch die Köpfe der Landespolitiker spukten: Spielbanken nach Bad Wildungen und nach Frankfurt (Flughafen). Insbesondere im Staatsbad Wildungen, das die Badesaison jährlich mit einem Defizit von rund 1,7 Millionen DM beendet, könne ein Casino eine „entscheidende Strukturverbesserung“ (Wilke) darstellen. Damit, so Wilke weiter, sei allerdings der von der alten SPD–Regierung favorisierte Standort Kassel nicht länger haltbar, denn das Staatsbad Wildungen liegt nur rund 30 km südwestlich. Auch sei es ein „Armutszeugnis“, wenn man die wirtschaftlichen Probleme Kassels mittels der Einnahmen aus einer einzigen Spielbank zu lösen beabsichtige, wie das die in Geldangelegenheiten ohnehin nur wenig vertrauenswürdigen Sozialdemokraten beabsichtigten. Außerdem reiche das „Potential der Spieler“ nicht für zwei Spielbanken in Nordhessen. Auf diese „Rotstiftpolitik“ der neuen Landesregierung reagierten jetzt die Grünen im hessischen Landtag mit „heller Empörung“. Ausgerechnet gegenüber der Unterhaltungsbranche mit der geringsten Umweltbelastung und der höchsten staatlichen Profitrate zeige sich der freidemokratische Fraktionsvorsitzende „spartanisch zugeknöpft“, meinte etwa der Casino– Experte der Fraktion Broka Herrmann in einer Presseerklärung. Der Grüne, der in Bad Homburg zu den Stammgästen am Roulettetisch zählt, sprach von der „unbedingten Notwendigkeit“, die notleidende nordhessische Region für die „Chips–Branche“ zu erschließen. Allerdings fordern die Grünen, daß der „politische Lobbyismus“ bei der Einrichtung von zwei Spielbanken in Nordhessen außen vor zu bleiben habe. Die Umweltpartei reagierte damit auf Informationen aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen, wonach sich der FDP–Fraktionsvorsitzende Wilke nur deshalb für den Standort Bad Wildungen stark mache, weil das Staatsbad in seinem Wahlkreis liege. Dagegen soll der neue FDP–Wirtschaftsminister Alfred Schmidt, der aus Gründen der politischen Hygiene nach seinem Amtsantritt sein Malergeschäft verkauft hat, nach wie vor seine Heimatstadt Kassel als Standort für ein Casino bevorzugen. Broka Herrmann: „Solche Formen von persönlicher Einflußnahme haben andernorts schnell zu Manipulationen und Kesselflickerunsitten geführt, die nicht selten auf Gefängnispritschen endeten.“ Darüberhinaus erbaten sich die Grünen von der neuen Landesregierung die Senkung des Mindesteinsatzes auf eine Mark pro Spiel aus, damit „alle gesellschaftlichen Schichten“ die „Bank der schnellen Mark“ heimsuchen könnten. Immerhin kassierte Hessen über die zwei bestehenden Casinos in Wiesbaden und Bad Homburg im letzten Jahr rund 60 Millionen DM ab. Ende letzter Woche hat sich endlich auch ein Vertreter der großen Regierungspartei CDU zum Thema zu Wort gemeldet. Dieter Weirich, nordhessischer CDU– Bundestagsabgeordneter, ging noch einen Schritt weiter als die Grünen. Neben Bad Wildungen und Kassel forderte Weirich mit Bad Sooden–Allendorf einen dritten Casino–Standort in Nordhessen. Denn nur so - originelle Begründung - könne die „Attraktivität“ des Bades im Zonenrandgebiet Werra–Meißner–Kreis „wesentlich erhöht“ werden. Dagegen schweigen sich die hessischen Sozialdemokraten noch immer aus. Dabei ist in Wiesbaden doch längst bekannt, daß Ex–Ministerpräsident Börner in seiner Heimatstadt Kassel endlich einmal „Black–Jack“ als Privatier spielen möchte - seit es in Hessen für die SPD „rien ne va plus“ heißt.