US–Rechte durch Irangate auf dem Vormarsch

■ Nach der Aussage Poindexters vor dem Irangate–Untersuchungsausschuß, mit der er Präsident Reagan entlastete, bekommt die Rechte Oberwasser / Die Liberalen begingen den folgenschwere Fehler, die politische Argumentation den Contra–Freunden zu überlassen

Aus Washington Stefan Schaaf

Wer am Sonntag die Washington Post aufschlug, konnte dort schier Unglaubliches lesen: „Am Mittwoch mittag war alles plötzlich vorbei, und jeder wußte es. Der Staatsstreich war fehlgeschlagen, Ronald Reagan würde überleben“, begann ein Beitrag von Patrick Buchanan, dem berühmt–berüchtigten Rechtsaußen, der bis vor einigen Monaten sein Geld als Redenschreiber von Ronald Reagan verdiente. Buchanan spielte auf die Aussage John Poindexters vor dem Iran/Contra–Untersuchungskomitee an, der am letzten Mittwoch die politische Verantwortung für die Abzweigung der Iran–Gelder an die Contra übernommen hatte. Kaum war dies geschehen, als ein sichtbares Aufatmen durch die Riege der Reagan–, North– und Contra–Fans im Untersuchungsausschuß ging und ein Ende der Irangate–Hearings sowie die Einstellung der Ermittlungen des Sonderanklägers verlangten. Doch Pat Buchanan ist auch das noch nicht genug. Nun, da der Versuch der Linken gescheitert sei, den Präsidenten mittels eines Schauprozesses zu stürzen, solle Reagan in die Offensive gehen und jede Strafverfolgung Norths und Poindexters blockieren. Falls sie dennoch angeklagt würden, solle er von seinem Recht auf Pardon Gebrauch machen. Mehr noch: Reagan solle vom Kongreß nicht hundert, sondern 500 Millionen für die Contras verlangen; falls sie ihm verweigert würden, solle er die Militärhilfe dennoch schicken und die Parlamentarier auffor dern, ihn seines Amtes zu entheben. Der kämpferische Tenor von von Buchanans Kampfschrift verweist auf das Grundproblem, an dem die Liberalen im Untersuchungsausschuß gescheitert sind: wo sie untersuchten und sezierten, wo sie auf Gesetze pochten, verteidigten die Rechten offensiv ihre politischen Überzeugungen. Buchanan, North, Poindexter und alle ihre Gesinnungsgenossen haben öffentlich beteuert, daß es doch nur legitim gewesen sei, die Kommunisten mit allen Mitteln daran zu hindern, in Nicaragua einen Brückenkopf auf dem amerikanischen Festland zu errichten. Sie vertraten die Auffassung, daß der politische Zweck die Mittel heiligen müsse. Washingtoner Politikern ist dies kein fremder Gedanke: Der Republikaner Richard Cheney, führendes Mitglied des Untersuchungsausschusses, wies am Sonntag die Kritiker einer solchen Haltung zurück. „Die moralische Empörung ist übertrieben, wir müssen dies im Verhältnis sehen“, meinte er. Wenn sie die vermeintlichen „nationalen Interessen“ über die Gesetze stellen, beharren North und nun auch Buchanan im wesentlichen darauf, für das Militär gültige Regeln auf das gesamte öf fentliche Leben auszudehnen. „North täuschte den Kongreß, um seine Freunde auf dem Schlachtfeld zu retten“, schreibt Buchanan und trifft damit genau den Punkt: als Oberstleutnant North, in Uniform und die Brust voller Kampfauszeichnungen, den Zivilisten im Untersuchungsausschuß gegenübertrat, kollidierte die Welt des Soldaten mit der des Zivilisten, die Welt der Befehle mit der der Gesetze. Zum politischen Debakel für die Reagan–Administration hatte es nur kommen können, weil North erlaubt wurde, seine Welt der Befehle ins Weiße Haus zu bringen, in dem eigentlich die Gesetze regieren sollten. Für den Untersuchungsausschuß stellte sich das Problem, die Vorherrschaft der Gesetze gegenüber einem ideologischen Machiavellismus einzuklagen, der für die breite Öffentlichkeit wesentlich nachvollziehbarer ist, denn er wurde ihnen sechs Jahre lang vom Weißen Haus eingehämmert. Gesetze sind abstrakt, die von den Sandinisten ausgehende kommunistische Bedrohung ist dagegen längst zum Bestandteil des politischen Allgemeinwissens geworden. Reden zur Verteidigung der Tugend, der Gesetze und der Verfassung vermochten allenfalls Akademiker zu begeistern. Umfragen in den letzten Tagen brachten die Wirkung dieser verfehlten Übung an den Tag: die Unterstützung für die Contras ist in der amerikanischen Öffentlichkeit dramatisch angestiegen. Während sich bisher eine deutliche Mehrheit gegen Militärhilfe für die Antisandinisten aussprach, haben die Befürworter nun mit den Gegnern fast gleichgezogen. Prompt kündigte Reagan an, dem Kongreß in Bälde ein neues Hilfsersuchen über 130 Millionen Dollar vorzulegen. Der Republikaner Hide wies darauf hin, daß die bisherige Haltung der Öffentlichkeit vor allem Gleichgültigkeit und Unwissenheit geschuldet war, nun sei jedoch den meisten sehr viel klarer geworden, wer die Contras seien. Im September, wenn die neue Contra–Hilfe zur Abstimmung kommt, wird es manchem der Contra–Gegner leid tun, den Freunden der antisandinistischen Rebellen die Bühne kampflos überlassen zu haben.