I N T E R V I E W Sozial unverantwortlich

■ Hubert Kleinert (MdB / Die Grünen) sitzt im Haushaltsausschuß, wo über Subventionen beraten wird

taz: Der Grüne Eckart Stratmann fordert, alle Stahl–Arbeitsplätze zu erhalten, Helga Bramst–Rock verlangt, die Subventionen zu streichen, eine Reihe von Stahl–Standorten sei ohnedies verloren. Wo steht Hubert Kleinert? Kleinert: Längerfristig ist das Argument von den Stahl– Überkapazitäten sicher richtig. Wenn wir aber mehr öffentliche Verkehrsmittel oder Investitionsförderung in Umwelttechnologien betreiben würden, hätten wir eine höhere Nachfrage nach Stahl–Produkten. Da stellt sich die Frage nach alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Abbau von Arbeitsplätzen ist erst sinnvoll, wenn andere Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Dabei können Subventionen durchaus sinnvoll sein. Heute werden sie aber unter der Bedingung vergeben, Arbeitsplätze abzubauen. Wenn mit den vielzitierten Betroffenen Alternativen entwickelt werden sollen, wird das lange dauern. Die Alternative heißt doch: Subventionen streichen oder nicht. Das halte ich sozial nicht für verantwortbar: Einfach den großen Ratschlag anzukündigen aber erstmal den Subventionshahn zuzudrehen. Das heißt, Du siehst in den heutigen Subventionen einen Sinn. Nein, die Bedingungen, unter denen sie gegeben werden, erfüllen in aller Regel keinen großen Sinn. Für Deine Parteikollegin sind die heutigen Subventionen sogar schädlich. Deshalb lieber Schluß damit. Ist alles andere nicht tatsächlich Opportunismus? Ich wehre mich entschieden dagegen, hier die Vokabel in den Mund zu nehmen... ..das habe ja auch ich gesagt. Der Strukturwandel würde ohne staatliche Eingriffe sicher noch rascher greifen. Dieser Wandel hat ja auch positive Seiten. Er darf aber nicht auf Kosten der Beschäftigten gehen. Das ist keine altlinke Phrase, da geht es ganz konkret um die Lebensbedingungen Tausender von Leuten. Die verlieren doch aber ihren Arbeitsplatz mithilfe der heutigen Subventionen. Richtig, da müssen andere Bedingungen gestellt werden. Also Stopp mit der jetzigen Subvention. Nein, wir brauchen ein anderes Konzept. Wir müssen uns Gedanken über andere Arbeitsplätze in den Regionen machen. Der Staat könnte Gelder geben, wenn es um Investitionen im Bereich Umwelt, öffentlicher Verkehr usw. geht. Das braucht seine Zeit. In der Zwischenzeit müssen wir dann eben die alten Subventionen aufrechterhalten, bis die neuen Kapazitäten da sind. Völlig ohne Subventionen hätten eine Reihe von Betrieben längst dichtgemacht. Das hilft aber nur denen, die nicht mithilfe von Subventionen „abgebaut“ wurden. Daß durch Subventionen Arbeitsplätze schneller abgebaut wurden, halte ich für falsch. Interview: Ulli Kulke