Zwangsgeld als Papiertiger?

■ Wo Erhebungsstellen aufgelöst wurden, dürfen keine Zwangsgelder vollstreckt werden

Berlin (taz) - Volkszählungsboykotteure in der „Provinz“, sonst gegenüber den metropolen Vobo–Hochburgen arg benachteiligt, können sich jetzt freuen. Ein Teil der Zwangsgelder, die in einigen Landstrichen zum Teil schon per Gerichtsvollzieher eingetrieben werden, und etliche Heranziehungsbescheide sind rechtlich unzulässig. Dort nämlich, wo die örtlichen Erhebungsstellen - wie bereits in Baden– württemberg und Bayern passiert - aus finanziellen und personellen Gründen schon aufgelöst wurden, können keine Zwangsgelder mehr vollstreckt werden - wenn alles mit rechten Dingen zugeht. Die gängige Praxis, nach der Heranziehungsbescheide nach Schließung der Erhebungsstellen von einer Behörde wie etwa der Gemeinde oder dem Landratsamt ausgestellt oder weiterbetrieben werden, ist nach Meinung von Experten juristisch unzulässig. Fortsetzung Seite 2 „Ein solches Verfahren wäre nicht korrekt“, meint der zuständige Mitarbeiter der baden–württem bergischen Datenschutzbeauftragten. „Diejenigen, die erst nach der Schließung ihren Heranziehungsbescheid bekommen haben, haben Glück gehabt. Für die ist die Volkszählung gelaufen“, urteilt auch der Marburger Rechtsanwalt Peter Hauck, dessen Vobo– Rechtsschutzfibel längst ein Bestseller ist. Wo es die Erhebungsstellen zeitlich noch geschafft haben, den Heranziehungsbescheid mit der Zwangsgeldandrohung zu verschicken, sich dann aber aufgelöst haben, darf das Zwangsgeld rechtmäßig nicht mehr vollstreckt werden. Der Heranziehungsbescheid, mit der Aufforderung, man möge den Bogen endlich abgeben, bleibt zwar bestehen und könnte später für ein mögliches Bußgeldverfahren von Bedeutung sein. Das angedrohte Zwangsgeld dürfte jedoch nicht mehr eingetrieben werden, weil die dafür zuständige Behörde, die Erhebungsstelle, nicht mehr vorhanden ist. Wenn sich dann statt der Erhebungsstellen die Gemeinden die Kompetenz anmaßen, die Zwangsgelder einzufordern, so wäre das „ein gefundenes Fressen für die Verwaltungsgerichte“, meint Rechtsanwalt Hauck. In Baden–Württemberg, wo schon etliche Erhebungsstellen ihre Arbeit eingestellt haben, scheint man inzwischen das Dilemma entdeckt zu haben. In diesen Tagen wird das dort für die Volkszählung zuständige Finanzministerium einen Erlaß an sämtliche Gemeinden verschicken: Die Erhebungsstellen dürfen danach doch noch nicht wie geplant und teilweise schon geschehen aufgelöst werden. Zur Durchführung von Mahnverfahren gegen Boykotteure sollen die Erhebungsstellen formell weiter bestehen und die inzwischen schon an ihre alten Arbeitsplätze zurückgekehrten Mitarbeiter ihre Arbeit für einige Tage in der Woche weiter führen. Volkszählungsgegner in kleineren Gemeinden, die jetzt ihren Zwangsgeldbescheid daraufhin überprüfen, ob sie tatsächlich von der „sachlich zuständigen Behörde, der Erhebungsstelle, ausgestellt wurden, haben nun vor Gericht zwar gute Chancen. Vobo–Aktivisten in den kleinen Gemeinden sind jedoch eher resigniert. Ihnen stehen schon jetzt Zwangsgelder von teilweise bis zu 700 Mark ins Haus, und der langwierige Weg durch die Gerichtsinstanzen ist ihnen aus guten Gründen zu riskant. Vera Gaserow