: Geld für Naturzerstörung in der Türkei?
■ Die „Deutsche Finanzierungsgesellschaft für Beteiligung in Entwicklungsländern“ ist an einem touristischen Mammutprojekt in der Türkei beteiligt / Gutachten bestätigt Gefahr für seltene, dort lebende Meeresschildkröten / Das Projekt ist noch in der Schwebe
Aus Frankfurt Reinhard Mohr
Vertragsbruch oder Zerstörung eines Ökotops in der Türkei mit deutschen Steuergeldern - vor dieser Alternative steht zur Zeit die DEG, die „Deutsche Finanzierungsgesellschaft für Beteiligung in Entwicklungsländern“, die vom Bundesministerium für wirtschaftiche Zusammenarbeit in Bonn abhängt. Die DEG bildet gemeinsam mit der IFA Hotel und Touristik AG/Duisburg und der türkischen Unternehmensgruppe Kavala ein Firmenkonsortium, das an der türkischen Südküste ein riesiges Tourismus–Projekt finanziert. Im Delta des Flüßchens Dalyan hat im April der Bau mehrerer „Beach–Hotels“ mit insgesamt 2.000 Betten begonnen. Unter Führung der arabischen Kapitalgruppe Manai aus Katar sind noch weitere touristische Bauvorhaben im Hinterland mit insgesamt 8.000 Betten geplant. Ferner hängt mit dem Projekt der Bau von Dämmen, Straßen, Kanalisation und Stromversorgungseinrichtungen zusammen. Der Haken: Die Dalyan–Bucht mit ihrem weißen Sandstrand ist eines der letzten Brutgebiete der vom Aussterben bedrohten Meeresschildkröten. Wenn sich erst einmal Tausende Touristen auf dem Strand tummeln würden, könnten die Schildkröten dort ihre Eier nicht mehr ablegen. Aber auch die ökologisch intakte Landschaft würde zerstört, wenn der Dalyan, wie geplant, ausgebaggert würde, um den Besitzern von Großyachten den Zugang vom Meer zu den Binnenseen zu erleichtern. Bislang müssen die Millionäre in Shorts und Lacoste–Hemden nämlich vor der Küste ankern und sich von einheimischen Skippern auf kleinen Booten zum gefahrlosen Windsurfen zu den Süßwasserseen im Hinterland bringen lassen - ein einträglicher Nebenerwerb für die Küstenbewohner. Während Kai–Uwe von Hassel, ehemaliger Bundestagspräsident und Vorstandsmitglied der DEG, es sich nicht nehmen ließ, zur Grundsteinlegung des Tourismus–Projekts in die Türkei zu fliegen, rührte sich der erste lautstarke Protest. In einem Telex an den türkischen Ministerpräsidenten Özal und die beteiligten Firmen schrieb der „World Wildlife Fund“ (WWF): „Wenn die bisherige Planung der touristischen Anlage, an der bereits die ersten Baukolonnen arbeiten, in die Tat umgesetzt würde, kämen im Dalyan– Delta wertvollste Brutgebiete von Meeresschildkröten sowie Lebensräume des hochbedrohten Fischotters, einer Vielzahl von Vögeln und auch seltener Pflanzenarten unter Beton.“ Das Telex, in dem ein Baustopp und eine „Umweltverträglichkeitsprüfung“ verlangt wurden, schreckte die Öffentlichkeit auf. Auch die DEG fiel „aus allen Wolken“, wie Pressesprecher Dr. Petersen gegenüber der taz betonte, als sie am 2. April dieses Jahres zum ersten Mal davon hörte, daß ihr Baugrund eigentlich ein Naturschutzgebiet sei. Als erste Reaktionen wurden einzelne Baumaßnahmen - etwa eine durchgehende Küstenstraße - gestrichen, die Bauarbeiten, die zunächst Tag und Nacht vorwärts gingen, damit das Projekt pünktlich zum 1. Mai 1988 fertig würde, liegen mittlerweile faktisch brach. Grund dafür ist die Befürchtung der türkischen Unternehmensgruppe Kavala, selbst unbeeindruckt von den ökologischen Konsequenzen, die Finanzierung des Gesamtprojekts stehe in Frage, da die DEG bislang nur einen Teil der Gelder freigegeben habe und die weitere Entwicklung abwarten wolle. Teil dieser „Entwicklung“ ist ein Gutachten, das die DEG nach dem Umweltschützer–Protest in Auftrag gegeben hatte, da man sich plötzlich nicht mehr auf die türkische Regierung verlassen wollte, was die ökologischen Fragen anbetrifft. Eine zweiköpfige Gutachterkommission wurde ins Dalyan–Delta geschickt. Der Untersuchungsbericht der beiden Zoologen Kinzelbach und Schemel liegen nun vor und sollen an die türkischen Vertragspartner weitergeleitet werden. Sie kommen zu dem selben Schluß wie die Ökologen: daß der Bau eines Tourismuszentrums dazu führen würde, daß die Meeresschildkröten aus dem Gebiet flüchten. Angesichts der bereits erfolgten Investitionen und des Vertrags zwischen der DEG und den anderen beiden Partnern schlagen sie vor, statt eines Tourismuszentrums einen Nationalpark zu errichten und statt einer Hotelkette nur ein einziges Hotel mit einer maximalen Kapazität von 600 Betten. Des weiteren schlagen sie vor, den Strand für Touristen zu sperren und verschiedene weitere Maßnahmen zum Schutz der Schildkröten zu ergreifen. Klare Worte. Die Frage ist nun, wie sich die DEG verhalten wird. Ein Freizeitpark ist kein kapitalbildendes Unternehmen, formal könnte die DEG Schwierigkeiten bekommen, sich daran zu beteiligen. Wenn die Türkei andererseits auf dem ursprünglichen Projekt beharrt, so würde ein Rückzug der DEG als Vertragsbruch angesehen und sie teuer zu stehen kommen. Die IFA ihrerseits hat bereits signalisiert, daß sie das Projekt notfalls auch ohne die DEG durchführen wird. Die DEG wird es sich aber politisch kaum leisten wollen, koste es was es wolle an dem Projekt weiterzubauen: Nicht nur haben verschiedene Umweltschutzverbände bereits vor dem Gebäude der DEG protestiert, sondern selbst im Parlament interessiert man sich mittlerweile für das Problem. Neben Protesten von Seiten der Grünen hat auch die SPD eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, was sie über die Beteiligung der DEG an dem Dalyan–Projekt und seine naturzerstörerischen Folgen wisse.
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