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Molke holt Wallmann ein

■ Verstrahltes Molkepulver soll in Hessen „dekontaminiert“ werden / Moha–Werk im mittelhessischen Hungen will die 8.000 Tonnen „futtermitteltauglich“ machen

Von K.–P. Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Das radioaktiv verseuchte Molkepulver, das seit Monaten durch die Republik „vagabundiert“, soll jetzt in einer Trockenmilchfabrik im hessischen Hungen dekontaminiert werden. Der Molkereikonzern „Moha“ in Hungen will die Molke anschließend als „Futtermittel“ weitervertreiben. Wie der Abgeordnete der Grünen im hessischen Landtag Chris Boppel auf Nachfrage der taz berichtete, ist ein entsprechender „deal“ zwischen Bundesumweltminister Töpfer (CDU) und dem Frankfurter Molkereigiganten „Moha“ bereits vor rund drei Wochen zum Abschluß gekommen, nachdem das Bundesumweltministerium zunächst vergeblich nach einem „Abnehmer“ für das „brisante Pulver“ gefahndet habe. Von den insgesamt 8.000 Tonnen des verstrahlten Pulvers lagern rund 5.000 Tonnen in abgestellten Güterwaggons im ostfriesischen Meppen, während sich 3.000 Tonnen auf dem Gelände der Herstellerfirma „Meggele“ im bayerischen Straubing befinden sollen. Daß das mit bis zu 5.000 Bq Cäsium 134 und 137 verstrahlte Molkepulver nun in Hessen landen soll, bringt Boppel mit der Verantwortung des derzeitigen hessischen Ministerpräsidenten Wallmann (CDU) für den „Molkeskandal“ in Zusammenhang. Fortsetzung auf Seite 2 Als Bundesumweltminister habe nämlich Wallmann den „Molke– Zug“ monatelang quer durch die Republik verschoben und dann das Problem einfach seinem Nachfolger Töpfer überlassen. Die hessische Staatskanzlei bestätigte inzwischen die von den hessischen Grünen verbreitete Meldung über den „Molke– Deal“, enthielt sich aber bis Redaktionsschluß jeder Stellungnahme. Mit einer von einem Fachhochschullehrer in Hannover entwickelten Methode sollen in Hungen die 8.000 Tonnen Molkepulver von 5.000 Bq auf 100 Bq „herun terdekontaminiert“ werden. Daß sich ausgerechnet das „Moha“– Trockenmilchpulverwerk in Hungen zur Übernahme der „Dekontaminierungsarbeiten“ bereit erklärte, die rund zwei Jahre dauern sollen, halten die Grünen für einen weiteren „Skandal“, denn das Hungener „Moha“–Werk beherrschte 1986 schon einmal die Schlagzeilen, als in dem in Hungen produzierten Milchpulver Salmonellen nachgewiesen worden waren. Im Zuge der damaligen Ermittlungen waren ganze Tonnen Milchpulver sichergestellt worden, nachdem - nach dem „Genuß“ des mit Wasser anzurührenden Milchpulvers - insbesondere bei Kleinkindern schwerste fiebrige Erkrankungen konstatiert wurden. Falls in Hungen bei „Moha“ jetzt tatsächlich das Molkepulver „dekontaminiert“ werden sollte, sind die Auswirkungen auf die Abwässer der Firma nach Ansicht des Hungener Bürgermeisters noch nicht abzuschätzen. In einer ersten Stellungnahme hieß es, mit rund 2.000 Litern verseuchter Abwässer pro Tag müsse gerechnet werden, da die Firma beabsichtige täglich etwa 20 Tonnen Molkepulver zu „dekontaminieren“. Die Grünen vor Ort befürchten darüberhinaus, daß kontaminierte Emissionen die Bevölkerung direkt gefährden könnten. Das „Moha“–Werk liege nämlich mitten in einem Wohngebiet. Die Grünen im Landtag haben die Landesregierung inzwischen aufgefordert, umgehend offenzulegen, welche Genehmigungsver fahren in Sachen „Moha“–Hungen bereits eingeleitet wurden. Inzwischen hat sich auch der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) zu Wort gemeldet und Bundesumweltminister Töpfer aufgefordert, das verseuchte Molkepulver nicht in Hungen „dekontaminieren“ zu lassen. Der BBU gab zu bedenken, daß es auf dem Gebiet der Lebensmitteldekontamination in der BRD noch keine großtechnischen Erfahrungen gebe und die Firma „Moha“ weder über entsprechend geschulte Mitarbeiter noch über die notwendigen Sicherheitseinrichtungen verfüge. Dagegen solle der Bundesumweltminister endlich offenlegen, mit welchen Nukleiden das Molkepulver - über Cäsium 134 und 137 hinaus - belastet sei. So sei in der Öffentlichkeit bis heute nicht bekannt geworden, ob das Pulver auch mit den „hochgiftigen“ Alpha–Strahlern wie Plutonium und Strontium verseucht sei, meinte BBU–Sprecher Eduard Bernhard.

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