I N T E R V I E W „Zweifelhafte Haltung der Regierung“

■ Paul Murricane, Produzent des Fernsehbeitrags „War Crimes“, der neue Informationen zu in Großbritannien lebenden Kriegsverbrechern enthielt, über seinen Film

taz: Was hat sie dazu bewegt, den Film zu machen? Paul Murricane: Unsere Beschäftigung mit dem Thema begann mit einer Liste des Wiesenthal– Zentrums über 17 in Großbritannien lebende, angebliche Kriegsverbrecher aus Littauen, von denen einer in Edinburgh, das heißt in unserem Sendegebiet lebt. Grundlage dieses ersten Beitrags mit dem Titel „Großbritannien als sicherer Ort für Nazis“ war neben den Dokumenten des Wiesenthal–Zentrums auch ein Telegramm der britischen Regierung aus dem Jahre 1948, in dem alle Commonwealth–Länder zur Beendigung aller Kriegsverbrecher–Prozesse aufgefordert wurden. Bei unseren weiteren Recherchen fanden wir heraus, daß der Umgang der britischen Regierung mit den „heimatlosen Personen“ und mit den Kriegsverbrecherprozessen nicht sehr offen und ehrlich war. Ihr Beitrag vom Mittwoch erfüllt also eine in der Vergangenheit von der britischen Regierung versäumte Aufgabe? Ja, nachdem der britische Innenminister die Beweislage gegen die Beschuldigten noch im März als „sehr dürftig“ bezeichnet hatte, sind wir darangegangen, diese Beweislage zu verbessern. Gibt es Anzeichen dafür, daß die Regierung auf ihre Recherchen reagieren wird? Gestern hat das Innenministerium erklärt, sieben von unserer Liste von insgesamt 34 angeblichen Kriegsverbrechern, die noch in Großbritannien leben, aufgespürt zu haben. Wir haben mit Sicherheit bewirkt, daß sie sich des nun öffentlich diskutierten Themas der Behandlung dieser angeblichen Kriegsverbrecher annehmen muß. Was sind ihrer Meinung nach die Gründe für die Handlungsunwilligkeit der Regierung in der Frage einer möglichen Strafverfolgung ehemaliger Nazis? Dies ist noch ein Relikt aus der Zeit des Kalten Krieges, als in Großbritannien Deutschland als Feind durch die Sowjetunion ersetzt wurde. Damals wollte man so schnell wie möglich zum Normalzustand zurückkehren und versuchte, diese Leute möglichst reibungslos in das britische Leben zu integrieren. Auch war die öffentliche Meinung damals sehr gegen jede Kooperation mit der Sowjetunion eingestellt und nicht sehr daran interessiert, daß diese von der Sowjetunion der Kriegsverbrechen Beschuldigten weiteren Untersuchungen unterzogen wurden. Bis heute gab es für die Regierungen keinen Grund, diese Haltung zu ändern, es sei denn auf Druck der Öffentlichkeit. Das Interview führte Rolf Paasch