AKW–Betreiber entlassen bestochene Mitarbeiter

■ Die Hanauer Nuklear–Transportfirma Transnuklear verschob jahrelang Millionenbeträge an Mitarbeiter bundesdeutscher Atomkraftwerke / Schmiergelder bei Preisberechnung für Aufträge als „Akquisitionserleichterung“ gleich mit eingeplant / Bundesweite Ermittlungen laufen

Berlin (taz/dpa) - Die Enthüllungen über die Schmiergeld–Aktivitäten der Hanauer NUKEM– Tochter Transnuklear haben ein Ausmaß erreicht, das die AKW– Betreiber zwingt, ihre Beteiligung am großen Absahnen zuzugeben. Sie haben sich inzwischen auf das Prinzip der Schadensbegrenzung verlegt und sind zur hastigen Entlassung aller Mitarbeiter übergegangen, die im Verdacht stehen, Gelder oder andere „Geschenke“ von den Hanuer AKW–Müllkutschern angenommen zu haben. Nach letztem Informations stand sind mindestens 39 Mitarbeiter der Transnuklear und verschiedener Atomkraftwerke in den Skandal verwickelt. Weitergereicht wurden nicht nur größere Barsummen, die aus dem Auftragsvolumen der Kunden mittels getürkter Rechnugnen abgezweigt und den AKW–Mitarbeitern auf Umwegen zugeschoben wurden, sondern auch große und kleine Herzenswünsche der AKW–Manager befriedigt, von der Querflöte über Videoausrüstungen bis zum Kleinwagen. Die Hanauer Staatsanwaltschaft er mittel zur Zeit bundesweit. Eine dpa–Umfrage zufolge wurden mindestens 18 Mitarbeitern aus den Entsorgungs– oder Buchhalts– Abteilungen von Kraftwerken sowie der Firma Transnuklear und ihrer Muttergesellschaft NUKEM gekündigt. Vier Mitarbeiter wurden versetzt. Ein Ingenieur der Preussen Elektra AG in Hannover (Preag) nahm sich offenbar in Zusammenhang mit der Affäre das Leben. Allein bei der Preag, dem größten Atomkraftwerk–Betreiber in der Bundesrepublik, sind nach Angaben einer Sprecherin „mehr als zwölf, aber weniger als 20 Mitarbeiter“ in die Affäre verwickelt. Kündigungen erhielten unter anderem Mitarbeiter der Atomkraftwerke Brokdorf und Würgassen. Die Rheinisch–Westfälischen Elektrizitätswerke (RWE) entließen nach eigenen Darstellungen zwei Mitarbeiter ihrer Essener Zentrale und zwei für die Entsorgung zuständige Fachleute in ihrem Atomkraftwerk Biblis. Bei den Vereinigten Elektrizätswerken Westfalen (VEW) in Dortmund wurde ein Mitarbeiter in den vorzeitigen Ruhestand geschickt. Die Badenwerke in Karlsruhe entließen einen Beschäftigten des Gemeinschaftskraftwerks Neckar im baden–württembergischen Neckarwestheim. Ungeklärt ist noch immer die Beteiligung von Mitarbeitern der Bayernwerke (Atomkraftwerk Grafenrheinfeld und Beteiligung am Atomkraftwerk Isar I) und der ebenfalls bayerischen Isar Amperwerke (Atomkraftwerk Isar I). Zumindest bei den Bayernwerken, dem wichtigsten Atomkraftwerk–Betreiber des Freistaates, soll es eine „Sofort–Kündigung“ gegeben haben, obwohl ein Sprecher eine Verstrickung der Firma in die Affäre abstreitet. Bestechung in großem Stil praktizierten die Transnuklear– Beschäftigten und Mitarbeiter der Heidelberger Firma Kraftanlagen Heidelberg (KAH) nach deren Darstellung bei der Erneuerung des Rohrleitungssystems beim Atomkraftwerk Würgassen an der Weser. Eine 1982 zu diesem Zweck aus beiden Unternehmen gebildete Arbeitsgemeinschaft „Arge Rohr 82“ sei dazu benutzt worden, 953.000 Mark an den beiden Firmen „vorbeizuwirtschaften“, um damit anschließend Würgassen–Mitarbeiter zu bestechen, berichtete der kaufmännische Vorstand des Unternehmens, Horst Linden. Die beschuldigten KAH–Mitarbeiter hätten sich dazu Schecks ohne Empfänger–Angabe bedient. Mit ihnen wurden nach Lindens Darstellung fiktive oder tatsächlich existierende Dienstleistungen „bezahlt“, tatsächlich jedoch für Schmiergeldzahlungen abgezweigt. Als Konsequenz dieser „Finanzmanipulationen“ seien inzwischen vier Mitarbeiter entlassen worden. Nach Information des Spiegel soll auch die Kernforschungsanlage Karlsruhe bei den Transaktionen zumindest geholfen haben. Zu ersten Konsequenzen hat die Schmiergeldaffäre inzwischen auch bei den Aufsichtsbehörden geführt. Der Bund–Länder–Arbeitskreis hat nach Darstellung des nordrhein– westfälischen Wirtschaftsministeriums Ende Mai neue Richtlinien für die Zuverlässigkeitsprüfungen festgelegt. Danach werden künftig Mitarbeiter nicht nur bei ihrer Einstellung überprüft, sondern alle fünf Jahre neu. Auch sind die Kraftwerksbetreiber verpflichtet worden, die Aufsichtsbehörden über negative Erkenntnisse zu informieren. Unterdessen haben die baden– württembergischen Grünen in einer parlamentarischen Anfrage Aufklärung über die Verwicklung von Unternehmen im Südwesten verlangt. Der SPD–Bundestagsabgeordnete Jürgen Vahlberg forderte die Einberufung einer Sondersitzung des Bundestags–Innenausschusses während der parlamentarischen Sommerpause.