I N T E R V I E W „Ich hoffe auf die Hilfe der Bundesrepublik“

■ Jaime C. Velasco ist Präsident der chilenischen Menschenrechtskommission und Vizepräsident der Christdemokraten

taz: Wie ist es derzeit um die Menschenrechte in Chile bestellt? Castillo: Laut Verfassung besitzt die Exekutive uneingeschränkte Vollmachten, ihre Maßnahmen begründen sie mit der „Gefährlichkeit“ einer Person. Dieser Vorwurf muß nicht bewiesen werden, es reicht die schlichte Meinung der Regierung aus. Der Bürger hat demgegenüber keinerlei Schutz, und die Gerichte haben sich in diesen Fällen für nicht zuständig erklärt. Wird in den Gefängnissen weiter gefoltert? Die Gefangenen und ihre Familienangehörigen erheben diesen Vorwurf. Vor Gericht läßt sich das allerdings nicht klären. Bezeichnen Sie die Attentäter und die 14 von der Verhängung der Todesstrafe bedrohten Gefangenen als Terroristen? Waffenbeschaffung ist kein terroristisches, sondern ein subversives Delikt. Das Attentat auf Pinochet ist ein politisch motiviertes Attentat, ein terroristisches. Viele verstehen unter „Terrorismus“ den Angriff auf Unbeteiligte, auf Zivilbevölkerung, z.B. Bombenlegen in Bahnhöfen. Ein Anschlag auf ein Regierungsmitglied ist auch ein terroristisches Attentat. Die Todesstrafe allerdings lehnen wir ab. Kann die Bundesregierung helfen? Natürlich, und ich hoffe auf diese Hilfe. Hat Ihre Partei im Falle eines Regierungswechsels eine Amnestie für die politischen Gefangenen im Auge, etwa wie in Uruguay? Es gibt in dieser Frage noch keine festgelegte Position. Die politischen Delikte sind in einer Atmosphäre voller Gewalt begangen worden, in einer Atmosphäre voller Menschenrechtsverletzungen von seiten des Regimes. Viele Fälle kann man als legitime Selbstverteidigung definieren. Deswegen ist in einer Phase der Versöhnung, glaube ich, eine Amnestie unverzichtbar. Auch für die Militärs? Zunächst einmal geht es um die Feststellung der Tatsachen und der Verantwortlichkeiten. Danach muß Gerechtigkeit walten. Aber gleichzeitig müssen auch Grenzen gezogen werden. Ein Land kann nicht ewig die Verantwortlichen verfolgen. Interview: Gabi Weber