I N T E R V I E W „In unseren Gesetzen haben wir Gleichheit“

■ Michael Puchert, Rechtsschutzsekretär des DGB Regensburg, vertritt die erste Männer–Klage gegen die grünen Quotierungsbeschlüsse

Weil seine Bewerbung auf eine Juristinnen–Stelle nicht berücksichtigt wurde, klagt ein Regensburger Rechtsassessor gegen die Grüne Bundestagsfraktion. Wegen seiner Diskriminierung als Mann fordert er ein Schmerzensgeld von über 26.000 Mark. Der Prozeß beginnt am 16. September vor dem Bonner Arbeitsgericht. Der DGB gibt dem Kläger Rechtsschutz. taz: Herr Puchert, Sie vertreten den ersten Mann, der wegen „geschlechtsspezifischer Diskriminierung“ klagt. Hatten Sie keine Bedenken, die Klage zu übernehmen? Puchert: Jedes Mitglied hat einen Anspruch auf Rechtsschutz, soweit es sich um arbeitsrechtliche Verfahren handelt. Da kann ich nicht nach ideologischen Hintergründen fragen, selbst wenn ich persönlich Bauchschmerzen habe. Ohnehin war es die Einzelgewerkschaft ÖTV, die die Rechtsschutzgenehmigung erteilt hat. Ich bin nur ausführendes Organ. Und Sie sehen nicht die Gefahr, daß sich der DGB so zum Verteidiger männlicher Vorrechte macht? Ich glaube, daß es sich im Falle meines Mandanten um einen Einzelfall handelt. Ich mache auch den Grünen einen Vorwurf: Wenn man einem Juristen zurückschreibt, daß die Stelle nur für Juristinnen ge dacht sei und ihm damit die juristischen Argumente ins Haus liefert, darf man sich nicht wundern, wenn der Jurist klagt und versucht, ein paar Mark Schadensersatz herauszuschlagen. Die Grünen müßten die Rechtslage doch so weit kennen, daß man weder männliche noch weibliche Bewerber wegen ihres Geschlechts ablehnen darf. Aber die grüne Fraktion versucht ja gerade mit dem Mittel der Quotierung, einen vorhandenen Mißstand, die Diskriminierung von Frauen, zu beheben. Ja, ich bezweifle nur, daß die Quotierung das geeignete Mittel ist. Eine Partei kann sich so etwas auf ihre Fahnen schreiben, aber eine Fraktion im Bundestag ist Teil einer Staatsorganisation und muß an rechtsstaatlichen Grundsätzen festhalten. Wenn eine Fraktion einen solchen Beschluß faßt, und sagt, weil wir schon drei Männer haben, müssen wir noch drei Frauen einstellen, kommen wir damit nicht weiter. Wie kommen wir dann weiter? Die Grünen haben mit ihrer Quotierung immerhin die Geschlechterparität erreicht. Indem Sie keine formalen Regelungen festschreiben wollen, schützen Sie faktisch nur die Vorrechte der Männer. Wissen Sie, ich als DGB–Rechtsschutzsekretär werde mich hüten, irgendwelche Aussagen darüber zu machen, wie die Benachteiligung von Frauen behoben werden kann. Ich bin kein politischer Sekretär, sondern ein Angestellter des DGB, der möglichst viele Prozesse zu gewinnen hat. Sie gehen in Ihrer Klageschrift mit keinem Wort auf die Frage ein, ob Quotenregelungen für einen bestimmten Zeitraum rechtlich zulässig sind. Ist das Absicht? In einem Prozeß brauche ich nicht auf politische Argumente einzugehen. Vom rechtlichen Gesichtspunkt her haben wir keine Diskriminierung. In unseren Gesetzen haben wir Gleichheit. Aber das Gleichheitsgebot in Artikel 3 Grundgesetz beispielsweise hat für Frauen faktisch nie gegolten. Bei mir persönlich rennen Sie offene Türen ein. Ich werde jedoch nicht versuchen, mit politischen Argumenten den Prozeß zu führen. Sie beziehen sich in Ihrer Klageschrift vor allem auf den im Rahmen des arbeitsrechtlichen EG–Anpassungsgesetzes eingeführten Paragraphen 611a. Aber dieser Paragraph ist von seiner Intention her für die Gleichbehandlung von Frauen gemacht. Sie haben recht, die Intention des Gesetzgebers zielt auf eine Gleichbehandlung der Frau. Aber vom Wortlaut des §611 her gesehen hat mein Mandant recht! Vor Gericht zählt allein, ob jemand wegen seines Geschlechts benachteiligt wurde. Und dies ist meinem Mandanten widerfahren. Daher werde ich mich in diesem Prozeß ganz auf den formalen Standpunkt zurückziehen. Das hat nichts mit meinem persönlichen Standpunkt zu tun. Ich habe die Aufgabe, einen Mandanten zu vertreten, und dafür werde ich alle Möglichkeiten nutzen. Warum hat sich Ihr Mandant überhaupt auf die Stelle beworben, die nur für Juristinnen ausgeschrieben war? Warum sollte er nicht? Von seiner fachlichen Qualifikation her hätte er ein guter Mitarbeiter werden können. Auch eine Frau kann sich ja auf eine Anzeige bewerben, die nur für Männer ausgeschrieben ist. Meine Handlungsweise hat nichts damit zu tun, daß ich die Männergesellschaft festigen möchte. Das ist Unsinn. Es geht nur um die Frage: Kann man eine Stelle nur für Männer oder nur für Frauen ausschreiben? Emanzipation kann nicht damit anfangen, daß irgendeine Gruppe vor einer anderen Gruppe geschützt wird. Falls mein Mandant diesen Prozeß gewinnt, wird lediglich bestätigt, daß die Diskriminierung eines Geschlechts nicht erlaubt ist. Interview: Ursel Sieber