Blüm widerlegt Zimmermann: Chilenen wurden gefoltert

■ Der Arbeitsminister zeigt sich in Santiago von Berichten über Folter erschüttert / Gespräche mit Angehörigen der 15 Todeskandidaten / Zimmermanns Innenministerium beharrt auf seiner Ablehnung

Santiago/Berlin (dpa/taz) - „Es ist unmöglich, von diesen Berichten nicht erschüttert zu sein.“ Mit diesen Worten reagierte der stellvertretende CDU–Vorsitzende und Bundesarbeitsminister Norbert Blüm auf Berichte über Folter in Chile, die er vor Ort von Familienangehörigen der 15 chilenischen Todeskandidaten zu hören bekam. Blüm stellte sich damit am Donnerstag abend demonstrativ gegen seinen Kabinettskollegen Innenminister Zimmermann. Bei dem Gespräch in Santiago hatten chilenische Anwälte und die Angehörigen berichtet, in welcher Weise angebliche Geständnisse der von Todesurteilen Bedrohten unter Folter erpreßt wurden. Durch die Stellungnahme Blüms wurde die Auseinanderset zung im Bonner Kabinett über die Frage einer Aufnahme der Todeskandidaten in der Bundesrepublik erneut angeheizt. Während das Außenministerium unter Genscher von seinen Informationen über die Folter spricht und für eine Aufnahme der Chilenen eintritt, leugnet Zimmermanns Ministerium immer noch jede Kenntnis von Folterungen. „Wir können doch nicht auf jedes dpa–Fernschreiben aus Chile reagieren“, so der Sprecher des Innenministeriums, Butz, gestern zu der Äußerung Blüms. Aber auch für den Fall, so Butz, daß Folter in Chile angewendet werde, könnten gemäß eines Beschlusses der Innenministerkonferenz aus den 70er Jahren keine „Gewalttäter“ in der Bundesrepublik aufgenommen werden. Bei dem MIR, der politischen Organisation der Gefangenen in Chile, würde es sich um eine „Terrororganisation“ handeln. Es habe auch keinen Sinn, ein Asylangebot zu machen, solange in Chile keine rechtskräftigen Urteile gesprochen seien. Dagegen wurde aus mehreren Äußerungen in Chile deutlich, daß ein Asylangebot aus der BRD das Urteil gegen die Betroffenen beeinflussen könnte. Die chilenischen Rechtsanwälte der Kommission zu Verteidigung des Volkes, „CODEPU“, haben jetzt auf einen 15. Gefangenen aufmerksam gemacht, gegen den der Militärstaatsanwalt im Mai ebenfalls die Todesstrafe beantragt hat. Abraham Munoz Bustos wird ein Überfall vorgeworfen sowie Mitglied der „Patriotischen Front Manuel Rodriguez“ zu sein. Auch er wurde schwer gefoltert. evh/time Tagesthema Seite 3 Kommentar auf Seite 4