Bonn wird Abrüstungshindernis Nummer Eins

■ Bundesregierung lehnt Abzug der Pershing 1A auch weiterhin ab / Die Pershing 1A–Raketen der Bundeswehr sind für die Sowjetunion ein entscheidender Hemmschuh für ein globales Abrüstungsabkommen für Mittelstreckenraketen längerer und kürzerer Reichweite

Von Erich Rathfelder

Berlin (taz) - Die Bonner Regierung wird zum größten Hemmschuh für ein weltweites Abrüstungsabkommen zwischen der UdSSR und den USA. Auch nach dem Vorschlag des sowjetischen Generalsekretärs Gorbatschow, weltweit alle Atomwaffen abzuschaffen, will die Bundesregierung an den 72 Pershing–1A–Raketen der Bundeswehr festhalten und hat dabei offenbar noch die Rückendeckung aus Washington. Für den amerikanischen Chefun terhändler in Genf, Max Kampelman, könnten sich die sowjetischen Vorbehalte gegenüber den deutschen Pershings zu einem „ernsten Problem“ auswachsen. Gleichzeitig machte die US–Regierung deutlich, daß die bundesdeutschen Pershings nicht verhandlungsfähig seien. Der CDU–Politiker Jürgen Todenhöfer bezeichnete die sowjetischen Vorbehalte „als nicht legitim“. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums erklärte am Freitag in Bonn gar, die 750 Kilometer weitreichenden Raketen, seien ein „Symbol der Bindung der Nation im Bündnis“ und die Bundesregierung werde auf dieses Waffensystem nur dann verzichten, wenn die Sicherheit der Bundesrepublik anders gewährleistet werden könne. Die „Invasionsfähigkeit“ der Sowjetunion müsse „reduziert“ oder „weggenommen“ werden. Stein des Anstosses sind die Äußerungen des sowjetischen Generalstabchefs Sergej Achromejew, der am Donnerstag die Bundeswehrraketen als eine der Haupthindernisse für ein Abkommen zwischen den Weltmächten bezeichnete. Die amerikanischen Atomsprengköpfe für die 72 Pershing– 1A–Raketen müßten beseitigt werden, die Raketen als solche interessierten nicht. Weiterhin müßten die Mittelstreckenraketen vollständig vernichtet werden und nicht umgebaut, wie dies im Falle der Pershing 2 (in Pershings–1A) in der NATO erwogen wird. Dies treffe auch auf die von den USA angepeilte Verlagerung der Marschflugkörper (Cruise Missiles) auf See zu. Drittens müsse der Vernichtung der Raketen von beiden Seiten prozentual begonnen werden und in einem Zeitraum von möglicherweise fünf Jahren abgeschlossen sein. Und viertens müsse die Sowjetunion das gleiche Recht auf eine Kontrolle haben wie die USA. Dazu gehörten auch die mit den USA verbündeten Länder, in denen die betreffenden Waffen stationiert seien. Nach den Worten des sowjetischen Verhandlungsleiters in Genf, Juli Woronzow, sollen die anstehenden Probleme zunächst von den Delegationen in Genf erörtert werden. Erst bei einem Scheitern sollten die Außenminister direkt verhandeln. Die sowjetische Delegation hatte am späten Donnerstag nachmittag die neuesten Vorschläge ihres Generalsekretärs offiziell vorgelegt. Der amerikanische Chefunterhändler in Genf, Max Kampelman, schlug sofortige zwei– oder dreiwöchige intensive Gespräche über die Verifizierungsprozeduren eines Abkommens vor.