Keine Strafe für Vatikan–Banker

■ Italiens Kassationsgerichtshof legt Urteilsbegründung zur Aufhebung der Haftbefehle gegen Erzbischof Marcinkus vor / Jetzt muß der Bischof nur Gott und nicht mehr Knast fürchten

Aus Rom Werner Raith

Italiens Behörden, wiewohl nach den Lateranverträgen von 1929 und dem Konkordat von 1984 jederzeit zum militärischen und polizeilichen Schutz des Kirchenstaates und seiner Organe verpflichtet, dürfen keine strafrechtlichen Verfolgungsmaßnahmen gegen Mitglieder „wesentlicher“ Einrichtungen des Vatikans vornehmen. Mit dieser am Wochenende bekanntgegebenen Begründung motiviert der 5. Senat des italienischen Kassationsgerichtshofes seine Rücknahme der Haftbefehle gegen die Leiter der Kirchenbank „Istituto per le opere die religione“ (IOR), den Erzbischof Paul Marcinkus und die nicht– geistlichen Direktoren Mennini und De Strobel. Die drei Bank– Oberen waren von der Staatsanwaltschaft Mailand steckbrieflich - weil hinter den Mauern des Vatikans verborgen - gesucht worden, weil ihre Verwicklung in den betrügerischen Bankrott der Mailänder Banco Ambrosiano 1982 (Schaden: mehr als eine Milliarde Dollar) erwiesen schien. Nach einer Bestätigung der Haftbefehle in zweiter Instanz entschied nun das höchste italienische Gericht andersherum: Das IOR sei nicht als gewöhnliche Bank anzusehen, sondern ein Analogon zu einem politischen Ministerium. Die Leiter des Instituts hätten somit nicht als Privatpersonen oder Finanziers, sondern als Mitglieder der Regierung eines auswärtigen Staates gehandelt, da mit dem Vatikan regelrechte diplomatische Beziehungen bestehen und überdies das 1929 (zwischen dem faschistischen Staat und der Kirche) abgeschlossene Konkordat den Eingriff in Kirchenbehörden ausdrücklich verbiete. Die Frage, ob die drei tatsächlich in kriminelle Händel zum Nachteil von Italienern oder des italienischen Staates verwickelt seien, hat der Gerichtshof daher gar nicht mehr geprüft. Erzbischof Marcinkus darf also, wie seine beiden Kollegen, den Vatikan wieder verlassen, ohne eine Inhaftierung fürchten zu müssen. Sein erster Kommentar: „Ich habe den Glauben in die italienische Justiz wiedergefunden.“ Siehe Kommentar auf Seite 4