Das Ende der philippinischen Revolution

■ Neugewähltes Parlament löst Revolutionsregierung von Corazon Aquino als gesetzgebende Gewalt ab / In Senat und Abgeordnetenhaus sitzen fast nur Großgrundbesitzer und Geschäftsleute / Probleme für die Landreform? / Macht der Militärs ungebrochen

Von Alois M. Berger

Berlin (taz) - Die Philippinen kehren zur formellen Demokratie zurück. Am 27. Juli tritt das im Mai gewählte Parlament zur Eröffnungssitzung zusammen. Die Zeit der Revolutionsregierung ist vorbei und damit auch die Chance für die Präsidentin Corazon Aquino, mit quasidiktatorischen Vollmachten Gesetze auch gegen die Interessen der Großgrundbesitzer und der reichen Geschäftsleute durchzusetzen. In Senat und Abgeordnetenhaus sitzen fast ausschließlich Vertreter dieser Gruppen. Zwar will Corazon Aquino das längst überfällige Rahmengesetz zur Landreform noch vor Ladenschluß vorlegen, die genaue Ausarbeitung aber wird in die Hände der Parlamentarier gelegt. Zum ersten Mal seit 1972, als der inzwischen gestürzte Diktator Marcos das Kriegsrecht verhängte, werden wieder gewählte Abgeordnete Gesetze beschließen. 14 Jahre lang herrschte Marcos im Reich der 7.000 Inseln mit Verordnungen, das Parlament durfte nurVorschläge machen. Nach dem Sturz des Diktators wurde auch dieses Scheinparlament aufgelöst. Seither regierte Aquino mit denselben Mitteln wie ihr Vorgänger. Obwohl sich an der Armut im Lande nichts geändert hat - 70 Prozent der Bevölkerung lebt unter dem von der Regierung gesetzten Existenzminimum - nimmt die Verehrung der Präsidentin nahezu religiöse Züge an. Unter der Flagge Aquinos anzutreten, bedeutete für die Parlamentskandidaten deshalb schon den halben Sieg. 22 der 24 gewählten Senatoren sind Aquino–Leute. Von der „Großen Allianz für Demokratie“, einem Sammelsurium aus Versatzstücken der ehemaligen Marcos–Riege, schafften nur der ehemalige Verteidigungsminister Juan Ponce Enrile und ein Filmschauspieler den Sprung in den Senat. Bei den 250 Abgeordneten des Unterhauses haben Aquino–Kandidaten eine Zweidrittel Mehrheit. Die linke „Alliance for New Politics“, in der auch ehemalige Guerillakämpfer antraten, brachte lediglich vier Abgeordnete ins Unterhaus. Wichtig für einen Wahlsieg war aber nicht nur der Segen der Präsidentin, sondern auch ein gutes Fi nanzpolster. Um die 400.000 Mark kostet auf den Philippinen ein erfolgversprechender Wahlkampf. Soviel ist in diesem Land auch durch bestbezahlte Arbeit nicht zu verdienen. Ausgewählt wurde also wieder unter den Vermögenden. Die sieben Abgeordneten der krisengeschüttelten Zuckerinsel Negros, wo die abgestürzten Zuckerpreise Zehntausende von landlosen Plantagenarbeiter in den Hunger gerissen haben, sind alle Besitzer ausgedehnter Zuckerfelder. Und die haben bereits wissen lassen, daß sie eine Landreform für schädlich halten, weil sie die politische Stabilität gefährde. Ein schlüssiges Programm hat die neue Parlamentsmehrheit so wenig vorzuweisen, wie ihre Präsidentin. Einig sind sie sich darin, eine Rückkehr von Marcos zu verhindern, aber auch, die sozialen Reformen auf das Unvermeid liche zu beschränken. Dem wirtschaftlichen Einfluß der USA stehen sie mehrheitlich aufgeschlossen gegenüber, ebenso den Forderungen der Militärs, die kommunistische Guerilla mit massivem Waffeneinsatz aufzureiben. Die Revolutionsregierung von Corazon Aquino hat in den 17 Monaten zwischen Marcos–Diktatur und der Übernahme der Gesetzgebung durch die neue Oligarchie nicht die erhofften Weichen gestellt. Trotz ihrer überragenden Popularität ist es ihr nicht gelungen, die Armee, von Marcos in zwölf Jahren von 45.000 auf 250.000 Mann aufgebläht, in den Griff zu bekommen. Ob 18 oder 19 Putschversuche, so genau hat das keiner mehr mitgezählt, aber alle schienen sie weniger darauf zu zielen, die Regierung zu stürzen, als vielmehr sie unter Druck zu setzen. Schließlich war es Armeechef Fidel Ramos, der immer nach Meinungsverschiedenheiten mit Aquino damit herauskam, daß sich in seinen Reihen wieder etwas zusammenbraue. Und die Präsidentin hat meist reagiert: Nach Putschmeldung Nr. 9 mußten die von Ramos als Kommunistenfreunde gebrandmarkten Minister Sanchez und Pimentel den Hut nehmen, nach Putschversuch Nr. 12 erklärte Aquino der kommunistischen Guerilla das Ende aller Friedensverhandlungen und den offenen Krieg, nach Putschversuch Nr. 13 war die Auflösung der von der Bevölkerung gehaßten Bürgerwehren vom Tisch. Die Frage, ob die US–Basen aus dem Land verschwinden müssen, wurde auf 1992 vertagt. Der seit 18 Jahren anhaltende Krieg gegen die kommunistische Guerilla, den Aquino zu beenden versprochen hatte, kostet heute täglich mehr Menschenleben als zu Marcos Zeiten. Die Angst vor einem weiteren Anschwellen der Guerilla, die vorwiegend unter unzufriedenen Bauern und landlosen Arbeitern rekrutiert, hat die Landreform selbst in der philippinischen Oberschicht zum zentralen Thema gemacht. Nach langem Zaudern will Aquino nun ein Rahmengesetz vorlegen, nach dem niemand mehr als sieben Hektar Land besitzen darf. In der Verfassung hat Aquino zudem festschreiben lassen, daß die jetzigen Landeigentümer „gerecht“ entschädigt werden müssen. Was die Abgeordneten, zu zwei Dritteln Großgrundbesitzer, unter gerecht verstehen werden, dürfte die Bauern auf Jahrzehnte verschulden. Von den 300.000 Kleinbauern, die bei der Minireform von 1972 durchschnittlich je 1,6 Hektar bekamen, sind 90 Prozent heute noch hoch verschuldet.