Keine Experimente für Roms neue Regierung

■ Italiens designierter christdemokratischer Regierungschef Goria schart just jene Parteien um seinen Kabinettstisch, die das Parlament im vergangenen März wegen unüberwindbarer Differenzen zur Auflösung getrieben hatten / Grüne wollen nicht mehr mitarbeiten

Aus Rom Werner Raith

Nach mehr als zwei Wochen Verhandlungen blieb alles beim alten: Italiens Senkrechtstarter Giovanni Goria (44) wird neuer Ministerpräsident und voraussichtlich am Dienstag sein Kabinett vorstellen. Die Koalition besteht aus den Christdemokraten Gorias, den Sozialisten des bis vor kurzem regierenden Bettino Craxi, den Republikanern, den Liberalen und den Sozialdemokraten; letztere überlegen allerdings angesichts ihrer Wahlniederlage noch, ob sie auch wirklich Minister entsenden oder die Regierung nur „von außen“ her unterstützen wollen. So fanden sich genau die Par teien wieder zusammen, die im März das Parlament wegen angeblich unüberwindbarer Differenzen zur Auflösung getrieben hatten. Nach den Vorstellungen der mit einem kräftigen Dreiprozent– Zuwachs gestärkten Sozialisten sollte bei den Verhandlungen ausschließlich das Programm zählen; herausgekommen ist jedoch ein verwaschener Aufguß der schon früher umstrittenen Vorstellungen einer Verfassungs– und Steuerreform, einer nur schwachen Präzisierung bestimmter Strafnormen und Zivilrechte und eine kaum erkennbare Straffung des darniederliegenden Gesundheitswesens. Über die wichtigen Bereiche der Militärpolitik, der Konflikte im Mittleren Osten und der Kernenergie konnten sich die alt– neuen Koalitionäre nicht einigen. So soll der Energieplan Italiens erst nach der Durchführung der Volksentscheide zum Ausstieg aus der Kernenergie erfolgen, wahrscheinlich also erst im Winter oder Frühjahr. Für die Umweltschützer ein Zeichen, daß die bisher unter antinuklearer Flagge segelnden Sozialisten sachte Abstand zu ihren Wahlaussagen suchen. Dazu paßt, daß der von Craxis Gefolgsleuten bislang angeblich hart verfochtene Kurs einer Annäherung an die militant pazifistische Radikale Partei und an die Grünen so kräftig doch nicht verfolgt wurde. Die Grünen z.B. sahen keinen ihrer fünf Grundsatzpunkte - vom sofortigen Moratorium im Betrieb der AKWs bis zur Stillegung hochriskanter Chemie–Unternehmen - im Regierungsprogramm berücksichtigt und zogen ihre Zusage zu partieller Unterstützung zurück; die Radikalen scheiterten am Widerstand der industrie– und kriegswaffenfreundlichen Republikaner - ohne daß die Sozialisten dies zur Koalitionsfrage gemacht hätten.