Heiliger Bumerang?

■ Der Vatikan–Bankier Marcinkus wird nicht bestraft

Das Szenarium scheint nach der Aufhebung der Haftbefehle gegen die Vatikan–Banker Marcinkus & Co. gar nicht so absurd: Die drei überfallen am östlichen Tiber–Ufer eine Bank, überqueren schnell im Dauerlauf die Vittorio–Brücke und St. Peter - und können von nun an nicht mehr verfolgt werden, sofern der Vatikan offiziell erklärt, die drei hätten nicht als Privatpersonen, sondern als Mitglieder der Krichenregierung gehandelt. Die Anerkennung der Immunität im Falle der Beteiligung am betrügerischen Bankrott des Katholen–Instituts Banco Ambrosiano gibt jedenfalls allen, die vom Papst zum „Leiter eines wesentlichen Kircheninstituts“ erklärt werden, freie Hand für jede Schweinerei auf italienischem Territorium. Freilich darf man die Urteilsbegründung, so schlimm die Taten der Kirchengeldschieber sein mögen, nicht als Willkürakt gefügiger römischer Richter abtun; schließlich haben sie mit derselben Motivation auch die Nichtverfolgung von PLO–Mitgliedern durch übereifrige Staatsanwälte erreicht. Die jeweils zur Last gelegten Taten waren zwar grundverschieden von der kirchlichen Bereicherungspolitik, doch der angewandte Rechtsgrundsatz ist derselbe: Immunität für Mitglieder anerkannter Staatsvertreter. Zudem ist die vom Vatikan offiziell enthusiastisch als „Gerechtigkeit“ begrüßte Entscheidung gleichzeitig eine gute und eine schlechte Nachricht für die halbseidene Kirchenfinanzpolitik. Die gute ist die Straffreiheit - die schlechte besteht darin, daß nun der bisher nirgendwo definierte Status der Kirchenbank IOR eindeutig geklärt werden muß - und als Ministerium kann sie keine der bisherigen einträglichen halb– oder ganz kriminellen Transaktionen über Scheinkonten und keine illegalen Kapitalverschiebereien mehr vornehmen. Jede ausländische Bank wird sich künftig hüten, dem IOR auch nur einen Dollar unverbürgten Kredit zu geben. Der Papst hat seinen Marcinkus also vorerst erfolgreich gehalten. Ob er ihn auch noch hält, wenn der agile Geldbeschaffer nun keine Moneten mehr auftreiben wird, bleibt abzuwarten. Werner Raith