AKW Mülheim–Kärlich bald ans Netz

■ Oberverwaltungsgericht Rheinland–Pfalz ändert eigene Beschlüsse ab / Noch fehlt eine Teilgenehmigung / Aber Wirtschaftsminister Brüderle kündigt baldige Freigabe der Gesamtanlage an

Von Felix Kurz

Koblenz (taz) - Das Atomkraftwerk Mülheim–Kärlich darf seinen seit Monaten unterbrochenen Probebetrieb bald wieder aufnehmen. Auch die Freigabe für den endgültigen Leistungsbetrieb des Reaktors ist seit dem Wochenende näher gerückt. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland– Pfalz änderte jetzt zwei von ihm selbst getroffene Beschlüsse ab, die bislang zur Folge hatten, daß der Reaktor abgeschaltet werden mußte. So hatte der 7. Senat des Oberverwaltungsgerichts am 6. Okto ber 86 in einem Eilverfahren mit einem aufsehenerregenden Beschluß zwei Anträgen der Stadt Neuwied und des Lahnsteiner Bürgers Joachim Scheer entsprochen und festgestellt, daß für den Kühlturm des AKWs die erforderliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung fehle und deshalb der bereits im Vollast–Probebetrieb laufende Mülheim–Kärlicher Reaktor „ohne rechtliche Grundlage betrieben“ werde. Der Atommeiler wurde daraufhin abgeschaltet. Das rheinland–pfälzische Umweltministerium erteilte dann nach Durchführung des erforder lichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens am 30. April 87 die noch fehlende Erlaubnis. Land und AKW–Betreiber RWE beantragten nun mit Erfolg die Änderung der alten OVG–Beschlüsse. Nach Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für den Betrieb des Kühlturms kam der Atomsenat des OVG zu der Überzeugung, daß die Klagen im Hauptsachverfahren „nach dem derzeitigen Sach– und Streitstand keine Aussicht auf Erfolg hätten“. Zudem hatte das Gericht im März und Juli zwei weitere Klagen gegen die zweite und gegen die fünfte Teilerrichtungsgenehmigung des Atommeilers abgewiesen. „Unter diesen Umständen überwiegt das Interesse der Betreiber daran, nicht erst nach Abschluß der Klageverfahren, sondern schon vorher von der ihnen erteilten Genehmigung Gebrauch machen zu können, sobald alle rechtlichen Voraussetzungen für den Betrieb der Anlage vorliegen.“ Mit diesem Schlenker verwiesen die Richter noch einmal ausdrücklich darauf, daß „die Freigabe der Errichtung des integrierten Blockregelsystems“ noch ausstehe. Dieses Blockregelsystem gehört nach Angaben des OVG– Sprechers Reimers zum sicherheitsrelevanten Bereich des AKW und sei noch nicht freigegeben worden. Das Fehlen einer Freigabe des Blockregelsystems als solches führe zwar noch nicht ohne weiteres zur Rechtswidrigkeit der Betriebsgenehmigung, so das OVG, sie habe allerdings „zur Folge, daß die Gesamtanlage trotz Vorliegens der Betriebsgenehmigung tatsächlich nicht betrieben werden dürfe“. Der rheinland–pfälzische Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) kündigte inzwischen an, er werde in Kürze die erforderliche Freigabe erteilen, damit der Reaktor endgültig seinen Leistungsbetrieb aufnehmen könne.